Wiedersehen macht Freude. Und das gilt im Falle von „Thunderbirds“ gleich doppelt. Erfahrene Brettspieler schnalzen schon mit der Zunge, wenn sie sehen, dass hier Matt Leacock mal wieder hat von sich hören lassen. Jener Spieleentwickler also, der von 2009 bis 2011 mit „Pandemie, Im Wandel der Zeiten – Das Würfelspiel – Bronzezeit“ und „Die verbotene Insel“ dreimal in Folge für das Spiel des Jahres nominiert war (und dreimal in Folge verlor). Und der eine oder andere wird auch bei dem Titel des Spieles glänzende Augen bekommen und ein, zwei Menschenalter zurück in die Vergangenheit reisen. Zumindest im Kopf. Dem Rest sei gesagt, dass die Vorlage eine britische TV-Serie bildet, in der Marionetten die Menschheit retteten. 32 Folgen lang, plus zwei Spielfilme.
50 Jahre wurde die von den Science-Fiction-Urgesteinen Gerry und Sylvia Anderson erdachte Kult-Sendung im Jahr 2015, was der britische Verlag Modiphius Entertainment zum Anlass nahm, den Abenteuern der Familie Tracy doch mal ein Brettspiel zu spendieren. In Deutschland nahm man hiervon wenig Notiz, einer erfolgreichen Crowdfunding-Aktion sei Dank findet dieses nun aber doch noch ihren Weg hierher. Nicht, dass es übermäßig viel Sprachkenntnisse gebraucht hätte: Hat man erst einmal die Regel verstanden, dann darf man auch als Englisch-Unkundiger loslegen, das Spielprinzip selbst setzt zumindest kein Talent für Sprachen voraus. Dafür aber diverse andere. Planungstalent zum Beispiel. Und auch das des konstruktiven Zusammenarbeitens.
Nur gemeinsam sind wir stark
Genau wie Leacocks bekanntere Werke handelt es sich bei „Thunderbirds“ nämlich um ein kooperatives Spiel. Da mag es so manches Alphatierchen mit der Angst zu tun bekommen, aber ohne Absprache läuft hier wirklich nicht viel. Immerhin unterdrücken wir unsere Macherinstinkte zu einem guten Zweck: Es geht um die Rettung der Menschheit. Mal wieder. Diese wird von The Hood bedroht, der seinerzeit schon der große Gegenspieler der Tracy-Organisation International Rescue war. Und fünf Jahrzehnte später scheint er noch immer großes Vergnügen daran zu haben, den Rest der Welt ins Chaos zu stürzen, indem er beispielsweise einen Vulkan in Island zum Ausbruch bringen will oder eine nukleare Anlage angreift. Um das zu verhindern, reisen die Geschwister sowie die unvergleichliche Lady Penelope, von denen bis zu vier von Spielern übernommen werden, umher, teils auch in den Weiten des Alls und würfeln um unser aller Leben.
Ja, ganz ohne (un-)glücksbringende Elemente geht es nicht. Hier gibt es sie gleich in doppelter Ausführung: die sechsseitigen Schicksalswerkzeuge und Katastrophen-Karten. Und Letztere machen ihrem Namen alle Ehre, indem sie nicht nur Desaster für die Erde bedeuten, sondern auch für die verzweifelt dagegen ankämpfenden Helden. Verzweifelt vor allem dann, wenn die Karten mal wieder so gar nicht in den Plan passen wollen. Diese bestehen nämlich aus mehreren Elementen, darunter Ort der Katastrophe, Art des Einsatzes und benötigte Würfelzahl. Je höher die Zahl, umso schwieriger die Mission. Umso höher aber auch der Ertrag, welche gleich wieder in neue Aufträge investiert werden kann. Dabei gibt es diverse Bonusfaktoren, welche den Sieg etwas wahrscheinlicher machen, etwa wenn ein bestimmter Charakter am Schauplatz ist oder auch eines der Fahrzeuge. Hier kommt dann auch die kooperative Komponente ins Spiel: Ständig müssen Figuren hin und her transportiert, Flugzeuge und Raumschiffe versetzt werden, um der teuflischen Fortuna ein bisschen Wahrscheinlichkeit entgegenzusetzen. Und das ist alles andere als einfach, wenn sich diverse der fahrbaren Untersätze nur sehr, sehr langsam fortbewegen. Einem irgendwie immer die Zeit davonläuft. Da heißt es vorausplanen. Lange, viel und gemeinsam.
Weltenrettung mit ungewissem Ausgang
Die Belohnung ist aber beträchtlich: Ganz so oft kommt es schließlich doch nicht vor, dass ein Spiel in der Runde so gut angenommen und gleich eine weitere Partie in Angriff genommen wird. Und ebenso selten ist, dass das Ergebnis beim zweiten Anlauf so drastisch unterschiedlich ausfällt. Spielte sich „Thunderbirds“ beim ersten Mal wie von selbst, war die Welt beim nächsten Mal schon nach wenigen Minuten im Eimer. Denn da wollte das Zusammenspiel aus Würfeln, Figuren und Karten so gar nicht klappen, die Einsätze waren zu schwierig, die Bonusfaktoren außer Reichweite, das Würfelglück im Urlaub. Das kann für Hardcorestrategen äußerst frustrierend sein: So schnell auszuscheiden, ohne einen taktischen Fehler begangen zu haben, das kratzt am eigenen Heldenego. Aber es macht das Spiel eben auch sehr spannend, da es hier keine Garantie gibt, wie alles ausgeht. Schließlich hat keiner gesagt, dass Welten retten immer ein Happy End haben muss. Und als wäre das nicht schon abwechslungsreich genug, darf man sich an verschiedenen Schwierigkeitsgraden versuchen, einige Erweiterungen wurden ebenfalls schon veröffentlicht – darunter eine, in der ein weiterer Spiele die Rolle von The Hood übernimmt. Das strategische Mittelgewicht lässt sich übrigens auch von TV-Agnostikern leicht spielen, man muss die Vorlage nicht zwangsweise gesehen haben. Ein bisschen schöner ist es aber schon, wenn man die aus der Serien entnommenen Bilder, Charaktere und kuriosen Fahrzeuge kennt und irgendwo in seinem Herzen trägt. Denn das Spiel wurde mit viel Liebe zum Detail und diversen Aufnahmen aus der bahnbrechenden Puppenserie umgesetzt, was für einen dicken Nostalgiebonus sorgt.
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