(„Richard the Stork“ directed by Toby Genkel, Reza Memari, 2017)
Richard weiß genau, wer er ist und was er will: zusammen mit seiner Storchfamilie nach Afrika fliegen und dort überwintern. Dummerweise ist er aber kein Storch. Eigentlich ist Richard ein kleiner Spatz, der noch vor seiner Geburt seine Eltern verloren hat und von der gutmütigen Storchmama adoptiert wurde. So gern sie und die restliche Familie den Kleinen aber auch haben, ihn mit nach Afrika zu nehmen, kommt dann doch nicht infrage. Richard will das aber nicht so ohne weiteres akzeptieren. Zur Not kommt er eben allein nach. Mit der Zeit gesellen sich aber noch andere Vögel hinzu, die ihn aus den unterschiedlichsten Gründen begleiten. Da wäre zum einen Eule Olga und ihr imaginärer Zwillingsbruder. Und auch Wellensittich Kiki, der unbedingt als Sänger Karriere machen will, schließt sich dem etwas anderen Vogelzug an.
Der Tod hat in Animationsfilmen für Kinder naturgemäß nicht viel zu suchen. Dann und wann schlägt er aber doch mal zu. Am bekanntesten ist sicher die traumatische Szene, als Bambi seine Mutter verliert. Findet Nemo beginnt sogar damit, dass die Fischmama von einem Barrakuda verspeist wurde. Und auch in Überflieger – Kleine Vögel, großes Geklapper geht es damit los, dass die Eltern des noch ungeborenen Protagonisten ihr Leben lassen müssen. Wahrscheinlich zumindest. Gezeigt wird der Moment natürlich nicht, er wird auch nie so recht beim Namen genannt. Muss aber auch nicht, denn eigentlich geht es hier mal wieder um etwas völlig anderes.
Zwischen berührend und anstrengend
Schon in Oops! Die Arche ist weg nutzte der deutsche Regisseur Toby Genkel das Szenario einer Reise, um verschiedene Figuren zusammenwachsen und einen Außenseiter seinen Platz in der Welt finden zu lassen. Dieses Mal sind es sogar drei Außenseiter, die an den ihren zugedachten Rollen und ihrem Selbstverständnis verzweifeln. Das tun sie jedoch in unterschiedlich erfolgreichem Maße. Berührend ist beispielsweise die Figur der Olga, die ihrer Größe wegen nirgends hin passte und aus Einsamkeit einen Zwillingsbruder erfand. Richard hingegen ist typisches Stockmaterial: Der Prototyp des kleinen Helden, der es allen zeigen muss – vor allem der übergroßen Vaterfigur. Erfüllt seinen Zweck, aber auch nicht mehr. Missglückt ist dafür Kiki, der als affektierter Möchtegernstar von Anfang an die Nerven strapaziert und einfach nicht die Lacher landet, die er landen soll.
Allgemein ist das mit dem Humor hier so eine Sache. Dass die Witze etwas unschlüssig zwischen kindlichen Kalauern und Anspielungen für Erwachsene wechseln, das mag man Co-Regisseur und Drehbuchautor Reza Memari noch nachsehen. Mit der Entscheidung, den etwas Gag rund um Internet und Social Media wieder und wieder und wieder aufzugreifen, das lässt Überflieger zum Ende hin aber sehr viel anstrengender werden, als es der Film eigentlich sein sollte. Anstatt sich hier so darauf zu versteifen, wären andere Aspekte wie die italienische Vogelmafia für mehr gut gewesen als nur einen Blitzauftritt. Und auch von der eigentlichen Reise bekommt man erstaunlich wenig mit. Dass der Schluss zudem so generisch ist, ist angesichts des beabsichtigten Plädoyers für Außenseiter und Toleranz fast schon ironisch.
Simple Nachricht, solide Optik
Aber wie so oft: Der jungen Zielgruppe wird es egal sein. Denen darf man auch beim hundertsten Mal eine Mischung aus simplem Slapstick und „du kannst alles schaffen“-Message mit auf den Weg geben. Und die wird sich auch an der Optik der europäischen Co-Produktion nicht stören, die natürlich nicht mit den Platzhirschen von Disney oder Pixar konkurrieren kann, für sich genommen aber trotz teils gröberer Modelle zumindest solide ist. Vor allem die dynamischen Kamerafahrten sorgen für Abwechslung, die Tiere streben eine Mittelposition zwischen Realismus und komischer Überhöhung an. Und auch qualitativ siedelt sich Überflieger im Mittelfeld an – solide, teilweise unterhaltsam, nett.
(Anzeige)