(„Below Her Mouth“ directed by April Mullen, 2016)
Eigentlich läuft alles blendend im Leben von Jasmine (Natalie Krill): Sie ist eine erfolgreiche Modejournalistin, sieht gut aus, fährt einen schicken Wagen, die Hochzeit mit Rile (Sebastian Pigott) ist bereits beschlossene Sache. Doch das vermeintlich festgezurrte Leben löst sich rasch auf, als sie in einem Club die Begegnung mit Dallas (Erika Linder) macht. Die Dachdeckerin war ihr zuvor schon bei der Arbeit aufgefallen, nun kommen sie sich privat näher. Sehr viel näher. Aus einer heißen Nacht wird eine Affäre, und Jasmine muss sich plötzlich fragen, ob sie all die Jahre nicht das falsche Leben geführt hat.
Auch wenn der Vergleich alles andere als originell ist, ihn manch einer vielleicht sogar als oberflächlich empfinden wird, so ist er doch kaum zu vermeiden: Wer sich Below Her Mouth anschaut, denkt fast unweigerlich an Blau ist eine warme Farbe von 2013 zurück. Die Geschichte um eine leidenschaftliche Beziehung zweier junger Frauen sorgte nicht nur bei Kritikern für Entzücken, sondern bot einer entsprechenden Zielgruppe auch eine Menge fürs Auge. So explizit waren Sexszenen zwischen Frauen bislang selten gewesen, zumindest außerhalb der Pornoecke.
Viel Sex, wenig Befriedigung
Regisseurin April Mullen will dem hier wohl noch eins draufsetzen. Dass sie bei ihren Filmen nicht unbedingt zurückhaltend ist und auch ein Faible für starke Frauen hat, das hat sie vor zwei Jahren mit dem Thriller 88 bewiesen. Und zumindest was den Sex angeht, nimmt kein Blatt vor den Mund oder die Kamera: Da wird in Betten herumgeturnt, sich mit einem Wasserstrahl selbst befriedigt. Wann auch immer Jasmine und Dallas sich sehen, fallen sie übereinander her. Das wird den einen oder anderen Zuschauer sicher erfreuen, ist aber doch auf Dauer etwas unbefriedigend. Denn auch wenn das Filmteam nur weiblich war, so drängt sich hier der Eindruck auf, dass es dann doch noch um sexuelle Gefälligkeit geht. Dass der Rest des Films eigentlich egal ist.
Der ist nämlich alles andere als spannend. Das fängt schon damit an, dass die beiden Frauen ein bisschen sehr schnell von den ganz großen Gefühlen reden. Nun kann es immer mal wieder passieren, dass man sich Hals über Kopf in jemanden verliebt. Doch das wird hier in erster Linie behauptet. Gezeigt wird es nur am Sex, nicht in den zwischenmenschlichen Momenten. Anders gesagt: Man nimmt den beiden einfach nicht ab, dass sie ein Paar sind. Während Blau ist eine warme Farbe drei Stunden hatte, um die Figuren und ihre jeweiligen Lebensumstände von allen Seiten zu beleuchten, hat Mullen nur die Hälfte der Zeit. Und die hat sie dann zu einseitig genutzt: Eine echte Entwicklung gibt es hier nicht, die Geschichte ist nur ein Vorwand für ein bisschen Fleischeslust.
Figuren aus dem Klischeebuch
Vor allem die Figuren selbst sind es, die hier so enttäuschen. Ob es nun die androgyne Dallas ist, die ihren weichen Kern vor der Welt zu verstecken sucht, oder die betont weibliche Jasmine, die sich – so wird impliziert – selbst jahrelang belogen hat, das sind schon ziemliche Klischees, mit denen Below Her Mouth hier auffährt. Umso wichtiger wäre es gewesen, den Stereotypen noch Leben einzuhauchen. Dies gelingt jedoch weder auf der Dialog- noch der Darstellerseite, der Film ist ein belangloses, undifferenziertes Minimaldrama, das viel mehr sein will, als es am Ende ist. Das aufregend sein will, im Gegenteil jedoch sehr schnell langweilt.
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