(„Mian hua“ directed by Hao Zhou, 2014)
Baumwolle ist eines dieser Dinge, mit denen wir tagtäglich in Berührung kommen, über die wir jedoch nie einen Gedanken verschwenden – abgesehen vielleicht beim Einstellen des Waschprogramms. Warum auch? Wir kaufen es fertig verarbeitet, der Weg dorthin betrifft uns nicht weiter. Filmisch genießt der Kleidungsstoff ebenfalls wenig Aufmerksamkeit. Wenn wir nicht mal wieder zurück in den Amerikanischen Bürgerkrieg reisen und mitansehen, wie Sklaven auf den Baumwollplantagen zu Tode geschuftet werden, interessiert sich kaum ein Filmemacher ernsthaft für dieses Thema.
Es ist dann auch mit einer Mischung aus Neugierde und Skepsis, mit der man Cotton begegnet. Ein Dokumentarfilm über die Baumwollindustrie in China? Was gibt es denn da zu erzählen? Eine Menge, wie sich herausstellt, wenn auch weniger in dem Sinne, wie man es vielleicht erwarten könnte. Was sich Hao Zhou völlig ausspart, ist eine Erklärung zum technischen Prozedere. Sein Film ist keine Sendung mit der Maus, in der Alltagsaspekte verständlich aufgedröselt werden. Stattdessen richtet er in erster Linie seinen Blick auf die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten.
Zwischen Arbeit und Privatem
Das kann mal auf den Feldern sein oder in Fließbandfabriken, selbst der Besuch einer Modemesse steht auf dem Programm des chinesischen Filmemachers. Zwischendurch gewährt er uns aber auch Einblicke in das Privatleben der Menschen, in deren Alltag und Nöte. Da jammert im einen Moment noch ein Kind, dass es sein Essen nicht mag, im nächsten stehen finanzielle Sorgen im Mittelpunkt, bevor es wieder zurück in den Bus geht, der so überfüllt ist, dass manche auf dem Boden liegen müssen.
Schön sind diese Einblicke eher nicht. Manchmal findet man eine Form der Kameradschaft, wie man sie in Schicksalsgemeinschaften manchmal eben findet. Häufiger aber ist die Zusammenarbeit zweckmäßig, wenn nicht gar von großem Konkurrenzdenken geprägt. Eben weil Baumwolle bzw. Kleidung ein bedeutender Industriezweig im Reich der Mitte ist, wurde der straff organisiert, Effizienz und Kostenersparnis stehen an erster Stelle. Das ist in anderen Ländern natürlich auch nicht anders, aber man merkt Zhou schon an, dass er dem Treiben kritisch gegenübersteht, wenn Menschen für einen Hungerlohn arbeiten, Billigfabriken aus dem Boden schießen oder Mitarbeiter gegeneinander ausgespielt werden, um so noch mehr aus ihnen herauszuquetschen.
Zeitbedingt: kurze Einblicke
Dass es am Ende nur für kleinere Momentaufnahmen reicht, liegt in der Natur des Projekts begründet: Rund 90 Minuten sind dann doch nicht genug, um allen Aspekten oder Menschen gerecht zu werden. Kaum wurde etwas angesprochen, kaum schimmert etwas Persönlichkeit durch, heißt es wieder zusammenpacken und ab zur nächsten Station. Für einen ersten Einblick reicht es aber, wer sich für das Alltagsleben der einfachen Bevölkerung Chinas interessiert, bekommt hier einiges an Stoff geboten. Ein Deutschland-Release steht derzeit nicht an, dafür wird Cotton im Rahmen des 5. Chinesischen Filmfest in München am 14. Juni 2017 gezeigt.
(Anzeige)