(„Death Parade“ directed by Yuzuru Tachikawa, 2015)
Es ist schon ein etwas seltsamer Ort, an dem Takashi und Machiko da gelandet sind. Nicht, dass es grundsätzlich ein Problem wäre, wenn ein Ehepaar eine Bar aufsucht. Nur können sie sich beim besten Willen nicht daran erinnern, wie sie dorthin gekommen sind. Und auch das Verlassen der Bar stellt sich als schwierig heraus: Erst müssen sie an einem Spiel teilnehmen, so lässt sie der Bartender wissen. Und das schnell, denn die Zeit würde ablaufen. Doch die größte Überraschung steht ihnen noch bevor, als die Dartpartie deutlich schmerzhafter wird, als man es gemeinhin gewohnt ist, und die beiden sich fragen müssen, ob sie einander wirklich kennen und lieben.
Dass man manchmal um sein Leben spielen muss, schön und gut. Das kommt häufiger mal vor, vor allem in Filmen. Aber nun auch noch um den eigenen Tod spielen zu müssen, das ist schon ein bisschen viel verlangt – zumal Disziplinen wie eben Dart oder auch Bowling dann doch eher selten sind. Klar, gewinnen will jeder irgendwie, als der Überlebenswillen nach dem Anfangsschock durchbricht. Doch ist es eben dieses „irgendwie“, welches später dazu dient, den eigentlichen Ausgang zu bestimmen: Himmel oder Hölle. Interessant ist der Gedanke, den Charakter eines Menschen daran festzumachen, wie er sich in einem Wettkampf verhält. Setzt er rücksichtlos seine Ellbogen ein, um zu gewinnen? Oder zeigt er Mitleid?
Ein guter Gedanke wird noch besser
2013 hatte Regisseur und Drehbuchautor Yuzuru Tachikawa schon einmal mit diesem Szenario gespielt: In dem Kurzfilm Death Billards ließ er zwei Fremde in einem etwas anderen Billardspiel gegeneinander antreten. Dafür fand er – zu Recht – so viel Zuspruch, dass er aus dem Mini eine ganze Serie basteln durfte. Das war nicht nur ein Glück für ihn, sondern auch für die Zuschauer, die hier einen der ungewöhnlichsten und besten Animes der letzten Jahre erleben durften. Im Vergleich zu dem ersten Ausflug darf es hier nämlich deutlich mehr in die Tiefe gehen. Damals stand der Mysteryteil noch deutlich im Vordergrund: Was machen die Menschen in der Bar? Wie kamen sie hierher?
Die Fragen tauchen hier am Anfang natürlich auch auf, werden aber schnell durch andere ergänzt oder sogar verdrängt. Wie eine Mischung aus Das Experiment und Battle Royale kommt der Wettstreit daher. Ganz so brutal wie dort wird es hier jedoch nicht, da der Fokus doch woanders liegt. Anstatt sich auf die erschreckenden Reaktionen von Menschen in Extremsituationen zu konzentrieren, ist das Ziel der Spiele – und damit der Serie – die Menschen dahinter zu zeigen. Nahezu jede Folge bringt zwei neue Figuren ins Spiel, deren Hintergrundgeschichte wir nach und nach erfahren. Oft sind es traurige Geschichten, von Menschen, die viel zu früh gestorben, in tragischen Unfällen ums Leben gekommen sind, es sich selbst genommen haben oder ermordet wurden.
Todtraurige Geschichten aus der Welt der Menschen
Death Parade ist daher trotz seiner starken Thrilleranleihen und dem mysteriösen Umfeld in erster Linie ein Drama. Ein sehr trauriges noch dazu. Misshandlung, Eifersucht, Einsamkeit, Depressionen und unerfüllte Liebe – die Serie klappert bei der Entscheidung um Himmel und Hölle sämtliche Abgründe ab, die das menschliche Herz so bereithalten kann. Das wäre im Rahmen einer irdischen Geschichte natürlich völlig überzogen. Durch die Wahl dieses besonderen Szenarios, in denen es explizit um Ausnahmesituationen gehen soll, ist dies hier mal kein Manko. Von denen gibt es allgemein nur wenige: Durch die vielen Geschichten, die sich abwechseln, teils auch überlagern, hat man des Öfteren das Gefühl, dass manches nicht zu Ende erzählt wird. Gerade auch bei den Motivationen muss man hier damit leben können, dass einiges im Dunklen bleibt. Insgesamt ist der Anime aber fesselnd und fordernd, eine wohltuende Abwechslung zu dem, was sonst so nach Deutschland kommt. Abgerundet wird das inhaltliche Vergnügen durch ein optisches: Animationsstudio Madhouse (Death Note, Paranoia Agent) hat das Ambiente der visuell sehr edel umgesetzt, die Figuren sind ausdrucksstark, auch an der Technik gibt es nichts zu meckern.
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