(OT: „La Mort de Louis XIV“, Regie: Albert Serra, 2016)
Ludwig XIV. (Jean-Pierre Léaud) ist einer der mächtigsten Menschen auf dem Planeten, sein Einfluss erstreckt sich über den kompletten Kontinenten. Doch damit ist es bald vorbei. Ein einfacher Wundbrand am Bein ist es, der ihm nach und nach die Lebenskraft raubt. Aus dem ganzen Land kommen sie herbei, Ärzte, Heiler und Gelehrten. Sie alle bleiben hilflos: Der Monarch stirbt, langsam, aber sicher. Während sich alle um ihn scharen und überlegen, wie es nun denn weitergeht, versucht der 76-Jährige trotz allem an seiner Würde festzuhalten.
„L’état, c’est moi“, auf Deutsch „Der Staat bin ich“: Auch wenn er diesen Satz wohl nie in den Mund genommen hat, so ist es doch er, der am stärksten an das Vermächtnis von Ludwig XIV. verknüpft ist. Bescheidenheit war nicht unbedingt die hervorstechendste Eigenschaft des Monarchen, der wie kaum ein anderer für den höfischen Absolutismus steht. Alles ist auf ihn zugeschnitten, sein Wort ist Gesetz. Dieser absolute Machtwille sorgte vielleicht nicht für die größten Sympathiewerte, seine kriegerischen Auseinandersetzungen verlangten Staat und Bürgern finanziell eine ganze Menge ab. Und doch gelang es dem „Sonnenkönig“, aus Frankreich in eine Großmacht zu verwandeln, vor der ganz Europa niederkniete.
Detailverliebte Nichtigkeit
Niederknien tun die Leute in Der Tod von Ludwig XIV. noch immer. Aber ob das aus so großer Ehrfurcht geschieht, das ist dann doch die Frage. Denn aus dem imposanten Herrscher ist ein alter, dahinsiechender Mann geworden, der schon froh ist, wenn er einen Keks schlucken kann. Mit Heldenverehrung hat das natürlich nichts zu tun. Auch der Hang zu Pomp und ausufernden Bildern, welche solche Kostümfilme normalerweise mit sich bringen, liegt Regisseur und Co-Autor Albert Serra nicht. Hier ist alles düster, beengt, fokussiert. Auch inhaltlich: Der Titel ist Programm, die Handlung des Films lässt sich tatsächlich darauf beschränkt, dass der König stirbt.
Für ein Werk, das immerhin knapp zwei Stunden dauert, ist das nicht viel. Auch visuell bedeutet das wenig Abwechslung, da ein Großteil des Geschehens im Schlafzimmer von Ludwig XIV. stattfindet, wo dieser langsam vor sich hinsiecht. Ein Mainstream-Publikum zieht man auf diese Weise natürlich nicht an. Und doch ist Der Tod von Ludwig XIV. alles andere als langweilig. Mit einem unglaublichen Blick fürs Detail zelebriert Serra jede Einstellung. Gespräche mit den Untergebenen, eine Szene mit dem Hund, besagte Essversuche – nichts was hier passt, ist für die Geschichtsbücher gedacht. Und gerade deshalb auch wichtig.
Grauen und Humor liegen eng beieinander
Wo der Tod in Filmen meistens sehr plötzlich oder abseits der Kamera eintritt, zeigt Serra in einer beeindruckenden Klarheit und Direktheit, was es heißt zu sterben. Ähnlich zu der Szene Oktober November ist die Erlösung hier eine mühselige, langwierige Angelegenheit. Eine unwürdige sogar. Dass es hier um einen der mächtigsten Männer überhaupt geht und keinen namenlosen Schwächling, macht die ungeschminkte Darstellung des Todes umso kraft- und eindrucksvoller.
Das soll nicht bedeuten, dass Der Tod von Ludwig XIV. ein durch und durch nüchterner Film ist. Auflockernde Elemente gibt es durchaus. Zwischenzeitlich lässt sich Serra sogar zu humorvollen Momenten verleiten – die dann ebenso schwarz sind wie das langsam verfaulende Bein des Königs. Die Faszination des Films ist aber auch auf Jean-Pierre Léaud (La Chinoise – Die Chinesin) zurückzuführen. Der einstige Star der Nouvelle Vague verkörpert seinen legendären Landsmann mit einer Mischung aus absurder Entfremdung und banaler Menschlichkeit, mit einer Mischung aus Intensität und Leere. Allein schon, um den hierfür mit dem Prix Lumières ausgezeichneten Altstar zu sehen, wie er verloren im Bett über allen zu thronen versucht, lohnt ein Ticket, beschenkt es und doch mit einer Erfahrung, wie sie das Kino nur selten bietet. Das Drama erinnert uns daran, was es bedeutet Mensch zu sein, im Guten wie im Schlechten. Vor allem im Schlechten.
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