Es war einmal nach Roald Dahl
Es war einmal ... nach Roald Dahl (2016)

Es war einmal … nach Roald Dahl

(„Revolting Rhymes“ directed by Jakob Schuh and Jan Lachauer, 2016)

Es war einmal nach Roald Dahl
„Es war einmal … nach Roald Dahl“ läuft im Rahmen des 35. Filmfests München (22. Juni bis 1. Juli 2017)

Eigentlich wollte sich Miss Hunt nur noch ein bisschen die Zeit vertreiben, bevor sie ins Haus gegenüber geht, wo sie auf zwei Kinder aufpassen soll. Doch dann steht auf einmal ein riesiger Wolf vor ihr, gekleidet in einen Trenchcoat und mit einer Mütze auf dem Kopf. Er wolle nur freundlich sein, erklärt er ihr, als er an ihrem Tisch in dem Café Platz nimmt. Als er die Märchenbücher entdeckt, die Miss Hunt mitgebracht hat, reagiert er jedoch wenig freundlich. Denn die seien nicht nur rührselig, sondern auch von vorne bis hinten gelogen. Bestes Beispiel sei das Rotkäppchen, das er persönlich kennt und deren Geschichte ganz anders war, als es einem die Bücher weismachen wollen.

In den letzten Jahren hat es sich Hollywood ja zur Aufgabe gemacht, klassische Märchen mal ganz anders und „modern“ zu interpretieren: Ob es nun die feministische Neuinterpretation Maleficent – Die dunkle Fee oder das Actionspektakel Snow White & The Huntsman war, die Vorlagen waren zum Teil kaum noch wiederzuerkennen. Dabei hat es schon viel früher Versuche gegeben, den bekannten Geschichten neue Seiten zu entlocken. Roald Dahl beispielsweise verfasste bereits 1982 das Buch „Revolting Rhymes“, welches sechs der alten Märchen umschrieb. Es war einmal … nach Roald Dahl nahm nun dieses Buch, machte aber noch einmal etwas ganz eigenes aus: Fünf der sechs Märchen sind auch hier zu finden, wurden nun aber miteinander verbunden und um eine Rahmenhandlung ergänzt.

Bekannte Ausgangssituation mit ungewissem Ausgang
Einzelne bekannte Elemente sind natürlich gleich geblieben: So lässt Cinderella nach dem Ausflug ins Schloss noch immer einen Schuh zurück, Jack bringt eine magische Bohne nach Hause, deren Ranke anschließend in den Himmel wächst, Schneewittchen muss sich nach wie vor in Acht nehmen, da ihr die böse und eitle Königin nach dem Leben trachtet. Doch der ewig einfallsreiche Dahl (BFG – Big Friendly Giant, Mr. Hoppys Geheimnis) wie auch das Regie- und Drehbuchduo Jakob Schuh und Jan Lachauer fanden genügend Wege, um unterwegs unerwartete Wege einzuschlagen, kleine Wendungen einzubauen und alles auf den Kopf zu stellen.

Das geschieht mit einer ganzen Menge Humor. Anders als bei vielen Animationsfilmen von heute verzichtet Es war einmal … nach Roald Dahl dabei auf lärmende Slapstickeinlagen oder ein hohes Tempo. Vielmehr besteht der Witz darin, dass man trotz der bekannten Ausgangslage oft nicht vorhersieht, was als nächstes geschieht. Das meiste davon ist nach wie vor für ein jüngeres Publikum geeignet, an manchen Stellen wird es aber schon recht düster. Um nicht zu sagen makaber: Da werden Köpfe abgeschlagen und Figuren gefressen, als wäre es das normalste auf der Welt. Gezeigt werden diese Szenen dann zwar nicht, das eine oder andere Elternteil dürfte dennoch etwas entsetzt gewesen sein, was da zu Weihnachten im englischen Fernsehen lief.

Ein großes audiovisuelles Vergnügen
Eine deutsche Fassung ist bislang nicht angekündigt: Wer den aus zwei Teilen und insgesamt rund eine Stunde langen Film sehen möchte, muss auf den UK-Import ausweichen oder das Filmfest München besuchen, wo Es war einmal … nach Roald Dahl Ende Juni 2017 zu sehen sein wird. Wobei: Wer die englische Version gesehen hat, wünscht sich keine andere Synchronfassung. Die wunderbare Reimsprache in Verbindung mit den tollen Sprechern – unter anderem Dominic West (The Affair) als böser Wolf – lassen den Film zu einem akustischen Genuss werden.

Optisch ist das die Zusammenarbeit von Magic Light Productions (Stockmann) und Triggerfish Animation (Khumba – Das Zebra ohne Streifen am Popo) ohnehin, unabhängig von Sprachfassungen oder -kenntnissen. Grundsätzlich am Computer entstanden orientierte man sich beim Stil am Claymation-Look von Aardman Animations oder auch The Nightmare Before Christmas. Die Grafiken sind eher schlicht, aber doch sauber, mit kleinen Details, witzig gestalteten Figuren und teilweise charmant entrückt. Wer die Gelegenheit hat, sollte sich diese etwas andere Märchenfassung daher unbedingt anschauen, da hier wie selten Fantasie, Humor und Herz zusammenfinden.



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Auch wenn die zugrundeliegenden Märchen alle bekannt sind, so macht die Buchadaption „Es war einmal … nach Roald Dahl“ doch etwas ganz anderes aus ihnen. Immer wieder überraschend, dabei witzig, fantasievoll und mit Herz, zudem optisch ansprechend dargestellt, ist diese etwas andere Märchensammlung ein Geheimtipp für groß und klein.
8
von 10