(OT: „I Am Not A Witch“, Regie: Rungano Nyoni, 2017)
Wo auch immer sie auftaucht, geht etwas schief: Das Wasser ist schlecht oder wird beim Tragen fallengelassen, einer soll sogar mal seinen Arm verloren haben! Dass es sich dabei nur um einen Traum handelte, spielt keine große Rolle, für die Bevölkerung steht auch so fest, dass das sambische Mädchen Shula (Margaret Mulubwa) eine Hexe sein muss. Glücklicherweise gibt es inzwischen aber Möglichkeiten, mit einer solchen Bedrohung fertigzuwerden: spezielle Hexencamps. Dort bleiben die Frauen unter sich – von gelegentlichen Touristenbesuchen abgesehen – und können ungestört ihrer Arbeit nachgehen. Wobei, wenn jemand so begabt ist wie Shula, wäre es doch eine Schande, ihre Kräfte nicht zu nutzen. Und so wird die 8-Jährige auf Tour mitgenommen, um Diebe zu entlarven, der Bevölkerung zu helfen und dabei ein bisschen was nebenher zu verdienen.
Hexen sind in Filmen ja eher selten gesehene Protagonisten. Wenn überhaupt dienen sie eher als unsichtbare Antagonisten, welche die Helden ins Unglück locken – siehe Blair Witch und The Witch. Hier ist das anders. Ganz anders sogar. Auch wenn die Aussage des Titels im Film kein einziges Mal geäußert wird, Shula allgemein so gut wie nichts sagt: Es ist doch sehr wahrscheinlich, dass das Mädchen keine besonderen Kräfte hat. Es war nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Und das kann böse enden, zumindest im Sambia.
Aus dem (fast) wahren Alltag eines Hexencamps
Regisseurin und Drehbuchautorin Rungano Nyoni, die hier ihr Debüt ablegt, weiß wovon sie spricht: Sie wurde selbst im südafrikanischen Land geboren, solche Hexencamps gibt es tatsächlich. Ob es nun ernst gemeinter Aberglaube ist, der Menschen dort enden lässt, ist dabei nicht ganz klar. Oft, so deutet sich das an, ist das Camp auch einfach eine bequeme Möglichkeit, ungeliebte Leute loszuwerden. Denn Widerspruch und gesunder Menschenverstand sind dabei schnell ignoriert: Ist ein Vorwurf erst einmal im Raum, lässt er sich nicht mehr ohne weiteres aus der Welt schaffen.
Es ist ein interessantes Thema, das Nyoni da ausgräbt. Ein Thema, das uns völlig fremd und doch auch vertraut ist. Hexen mögen hierzulande seit einigen Jahrhunderten von der offiziellen Bildfläche verschwunden sein, Ausgrenzung und Diskriminierung sind uns aber doch bis heute geblieben. Die Gleichstellung von Frauen hat auch noch ein ganzes Stück vor sich. Das unter dem Schlagwort Fake News bekannt gewordene Phänomen ist sogar sehr viel aktueller, als wir es gern hätten.
Eine Geschichte zwischen Lachen und Weinen
Interessant ist aber auch, was die Debütantin hier daraus macht. Streckenweise hält sie sich im Dramabereich auf, erzählt die tragische Geschichte eines Mädchens, das gnadenlos herumgeschubst wird. Dann wiederum ist I Am Not A Witch eine bissige Satire. Schon der Einstieg, wenn wir Touristen bei dem Besuch eines Hexencamps beobachten, schneidet sich tief ins Fleisch. Der Besuch einer Talk Show und die diversen Versuche, aus Shula Kapital zu schlagen, sezieren fein säuberlich die bigotte Einstellung der Herren: Menschen, die anders sind, sind schlecht – außer ich kann davon profitieren. Das nimmt teilweise so absurde Formen an, gerade auch in Verbindung mit den grotesken Hexenkostümen, welche Shula tragen muss, dass man oft gar nicht anders kann als lachen.
So sehen gibt es ohnehin einiges: Die bizarre Vorrichtung, um die Hexen von einer Flucht abzuhalten, muss man gesehen haben, um sie zu glauben. Und selbst dann wird man oft zwischen verstört und amüsiert auf die Leinwand schauen. Inhaltlich tut sich Nyoni jedoch schon deutlich schwerer, die Aufmerksamkeit zu behalten. Eine fortlaufende Geschichte wird hier nicht erzählt, stattdessen besteht der Film aus lauter Episoden ohne erkennbaren Aufbau. Und auch Shula selbst wird eher vernachlässigt: Es dauert lange, bis sie sich überhaupt mal äußert. Das, was sie sagt, ist zudem weniger geeignet, ihr Profil zu geben. Hat man sich erst einmal an den sonderbaren Bildern und der ungewöhnlichen Situation sattgesehen, kommt es dann auch zu spürbaren Längen. Für reguläre Kinostarts ist das eher weniger geeignet, für Festivals umso mehr: Nach der Premiere in Cannes ist I Am Not A Witch derzeit auf dem 35. Filmfest in München sowie beim NIFFF 2017 zu sehen. Wer dort sein sollte und ein Faible für bissig-eigenwillige Filme hat, sollte sich das hier deshalb nicht entgehen lassen.
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