Jackie
© Tobis Film

(„Jackie“ directed by Pablo Larraín, 2016)

Jackie Die First Lady DVD
„Jackie“ ist seit 9. Juni 2017 auf DVD und Blu-ray erhältlich

Die Bilder schockierten die Welt: Der US-Präsident John F. Kennedy ist tot, ermordet auf offener Straße. Während die Menschen gespannt darauf warten, wie es nun weitergeht und eilig die Nachfolge geregelt wird, bricht für die First Lady Jacqueline (Natalie Portman) eine Welt zusammen. Nur wenige Tage bleiben ihr, um das Begräbnis und die Trauerfeierlichkeiten zu organisieren und auch ihren Kindern zu erklären, was da vorgefallen ist. Dabei kann sie sich das Ganze selbst nicht erklären und weiß nicht ein, noch aus.

Ein Faible für die Aufarbeitung historischer Themen, die hat Pablo Larraín sicherlich. In ¡No! erzählte der Chile von der kuriosen Kampagne, die zum Sturz des Diktators Augusto Pinochet führte. In Neruda wiederum setzte er seinem gleichnamigen Landsmann ein filmisches (Nicht-)Denkmal. Dass er auch bei seinem englischsprachigen Debüt einen geschichtlichen Stoff aufarbeitet, das kommt dann wenig überraschend. Und wer die vorherigen Filme gesehen hat, der ahnte wohl auch schon, dass Jackie ein wenig eigen sein würde. Alle anderen dürften sich aber wohl verwundert die Augen reiben, wie ambivalent sein Porträt der US-Ikone geworden ist.

Aussage gegen Aussage
Dabei strebte Larraín gar kein vollständiges Biopic an. Stattdessen konzentriert sich der Regisseur auf die unmittelbaren Ereignisse direkt nach dem Anschlag. Anstatt diesen jedoch chronologisch zu folgen, besteht die Rahmenhandlung aus dem Interview mit einem namenlosen Journalisten (Billy Crudup), vor dem sie erzählt, was damals vorgefallen ist. Oder auch, was nicht vorgefallen ist. Mindestens gewöhnungsbedürftig ist, wie hier auf mehreren Ebenen mit Schein und Sein gespielt wird. Da schüttet Jackie im einen Moment ihr Herz aus, nur um im nächsten alles wieder zurückzunehmen. Sie würde nie erlauben, dass der Journalist ihre Worte so abdrucke. Während wir sie aber doch erfahren, im Film.

Das ist an und für sich nichts Ungewöhnliches: Dass Interviews erst autorisiert werden, Gespräche vor dem Druck noch einmal verändert werden, das gehört zum Geschäft dazu. Dass dies im Rahmen eines Biopics thematisiert wird, ist dann aber schon auffallend. Und passend: Jackies letzten Tage im Weißen Haus sind zum einen von ihrer Unsicherheit geprägt, was die Zukunft mit sich bringt, zum anderen aber auch von ihrem Kampf um die Vergangenheit. Man solle sich an die Kennedys erinnern, das ist ihr ein großes Anliegen. Aber bitte nur auf die von ihr vorgesehene Weise. Sie selbst versucht ihr Vermächtnis anzurichten.

Das Porträt einer vielschichtigen, widersprüchlichen Frau
Das macht das Porträt von Jackie auch zu einer so großen Herausforderung: Man kann hier nie wirklich sagen, ob man diese Frau nun mag oder nicht, was man von ihr halten soll. Auf der einen Seite gibt es herzzerreißende Momente, wenn sie vor lauter Schmerz wahnsinnig zu werden scheint. Wenn Protokolle und Regeln alles bestimmen, dabei jedoch völlig vergessen wird, dass der Ermordete auch ein Mensch war. Auf der anderen Seite zeigt sich Jackie immer wieder als manipulativ, berechnend und selbstsüchtig. Eine Frau, die sich nicht auf einen Austausch einlassen möchte, sich selbst um niemand anderen schert. Nicht einmal die eigenen Kinder.

Natalie Portman, die hierfür unter anderem für einen Oscar sowie einen Golden Globe nominiert wurde, beherrscht beide Seiten meisterhaft. In ihrer Darstellung wird aus der allseits bekannten Jackie eine Fremde. Ein Mensch, den niemand wirklich kennt, nicht einmal sie selbst. Ein Mensch, bei dem Inszenierung und Selbstsuche mal im Wettkampf stehen, mal kaum voneinander zu trennen sind. Abgerundet wird dieses andere Biopic durch eine ebenfalls bemerkenswerte audiovisuelle Umsetzung: Während eine fabelhafte Ausstattung das Auge erfreut und für viel Authentizität sorgt, bekommt der Film durch seine extremen Nahaufnahmen und die wunderliche Musik eine unwirkliche Note. So wie Jackie in den Tagen nach der Ermordung durch einen für sie surrealen Alptraum stolpert, so hat man auch als Zuschauer das Gefühl, dass das hier alles nicht ganz echt ist. Ein Kunstwerk, das bei näherer Betrachtung so viele Risse enthält, dass man es verzweifelt festhalten will, bevor es endgültig auseinanderbricht.



(Anzeige)

„Jackie“ mag formal ein Biopic von Jackie Kennedy sein, ist aber anders, als man erwarten würde. Durch die zeitliche Konzentration auf die Tage nach der Ermordung ihres Mannes, audiovisuelle Sonderbarkeiten und einen ungewöhnlichen Rahmen wird die Geschichte der Ikone zu einem ausgesprochen ambivalenten Porträt – gezeigt wird eine Frau zwischen aufrichtiger Trauer und manipulativer Inszenierung.
8
von 10