(OT: „Lucky Loser“, Regie: Nico Sommer, 2017)
So richtig viele Lichtblicke gibt es ja nicht im Leben von Mike (Peter Trabner). Geld hat er keins, eine Wohnung bald auch nicht mehr, eine Frau ohnehin nicht. Zumindest nicht wirklich. Eigentlich wäre er ja schon ganz gern wieder mit Claudia (Annette Frier) zusammen. Mit der war er früher sogar verlobt, inzwischen ist sie aber erfolgreiche Ärztin, mit Thomas (Kai Wiesinger) liiert und will von ihrem Ex nichts mehr wissen. Wäre da nicht die gemeinsame Tochter Hannah (Emma Bading), sie hätte den Kontakt wohl schon vor Jahren abgebrochen. So aber muss sie sich mit ihm arrangieren und auch damit, dass die beiden zu zweit zum Camping fahren. Oder besser: zu dritt. Denn kurz nach der Ankunft muss Mike feststellen, dass Hannah auch ihren bislang verheimlichten Freund Otto (Elvis Clausen) eingeladen hat. Und der ist doppelt so alt wie sie.
Ein Herz für Verlierer hat Nico Sommer ja schon immer gehabt. Und auch ein Faible für die zwischenmenschlichen Fallstricke, die sich im Alltag so bieten. Erst erzählte der Regisseur und Drehbuchautor in Silvi von einer 47-Jährigen, die nach dem plötzlichen Eheaus von einem Liebesunglück ins nächste stolpert. Dann ließ er in Familienfieber zwei Ehepaare aneinandergeraten, die nicht nur über ihre jeweiligen Kinder miteinander verbunden sind. Wenn sich der Berliner in seinem neuen Spielfilm einer kaputten Nicht-so-ganz-Familie zuwendet und deren Konflikte aufarbeitet, dann befindet er sich also auf bestens vertrautem Terrain. Umso mehr, da Peter Trabner wie schon in den letzten beiden Filmen eine der Hauptrollen übernimmt.
Bekannt und doch etwas anders
Und doch ist Lucky Loser, der seine Premiere auf dem 35. Filmfest München feiert, etwas anders als die zwei vorangegangenen Filme. Diese waren noch im Geist des Deutschen Mumblecores entstanden: Möglichst authentisch sollten diese Filme sein, viel mit Improvisation arbeiten, insgesamt näher an den Figuren, als wir es meistens aus dem Kino gewohnt sind. Das ist immer mit einem rauen Charme verbunden, bietet schön viel Identifikationsfläche, da die Figuren so reden wie man selbst. Allerdings riskieren diese Filme auch, immer wieder ins Banale abzurutschen. So viel grauen Alltag zu zeigen, dass man schon gar nicht mehr weiß, warum man dann nicht gleich beim eigenen bleibt.
Solche Gedanken wird man dieses Mal eher nicht haben. Die Dialoge sind deutlich geschliffener, schärfer, setzen auf pointierten Humor anstatt auf einen beiläufigen. Und auch die Interviewszenen fallen diesmal weg. Das wird der eine oder andere eventuell schade finden, da diese offensichtlichen Improfilme in der doch recht formelhaften deutschen Kino-Komödien-Landschaft für frischen Wind gesorgt haben. Andererseits: Wenn am Ende ein Film dabei rausspringt, der so gut unterhält wie Lucky Loser, bleibt nicht wirklich viel Zeit zum Trauern. An vielen Stellen wird man zu sehr damit beschäftigt sein, über die verrückten Anekdoten und die sich fast immer bescheuert verhaltenden Erwachsenen zu lachen.
Ein Herz für Verlierer
Zumal ein Punkt ja geblieben ist: die ausdrucksstarken, mit allerlei Macken behafteten Figuren. Wenn Mike jahrelang seiner Ex hinterhertrauert und auch sonst nichts im Leben auf die Reihe bekommt, weiß man gar nicht, ob man ihn bemitleiden oder anfeuern soll. Trabner hat diese Form des geborenen Verlierers inzwischen ja perfektioniert. Ihm gegenüber steht dieses Mal eine bestens aufgelegte und energiegeladene Annette Frier, die hier zeigt, warum sie einst als eine der witzigsten Frauen Deutschlands bezeichnet wurde. Dass die Geschichte im Grundsatz recht bekannt ist, ist dann auch weniger tragisch, Humor und Charme machen das mehr als wieder wett. Dazu gibt es ein paar schön politische unkorrekte Szenen, die zwar nur bedingt etwas mit der Handlung zu tun haben, aber dafür sorgen, dass der Mainstream doch noch ein paar Häuser weiter wohnt.
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