(„Mutafukaz“ directed by Guillaume Renard and Shōjirō Nishimi, 2017)
Es ist ein einfaches, beschauliches Leben, das Angelino da führt. Man könnte aber auch erbärmlich dazu sagen. Tagsüber fährt er Pizzen aus, um in der von ihm so verachteten, heruntergekommenen Stadt Dark Meat City über die Runden zu kommen. Die Nächte verbringt er in einer Wohnung, die er mit seinem besten Freund Vinz, einer Menge Dreck und einer Armee von Kakerlaken teilt. Wenn doch nur endlich etwas passieren würde! Das tut es dann auch, aber anders als von ihm erhofft. Nachdem er mit seinem Roller einen Unfall hatte, wird Angelino von seltsamen, furchterregenden Visionen geplagt. Und als wäre das nicht schon beunruhigend genug, sind ihm plötzlich Männer in schwarzen Anzügen auf den Fersen. Aber weshalb nur? Was wollen diese Typen von ihm?
Dass Filme und Serien im besten Film auch als Merchandising für ein bisschen Extrakohle sorgen sollen, das ist nun wirklich kein neuer Trend. Es dürfte aber wohl kaum ein Unternehmen geben, das sich derart konsequent auf multimediale Mehrfachangriffe auf den Geldbeutel spezialisiert hat wie Ankama. Siehe „Dofus“. Das Franchise kennt man hierzulande am ehesten über das Online-Rollenspiel. Es gibt aber auch Comics, Zeitschriften, Handyapps, eine Zeichentrickserie und mit Dofus, livre 1: Julith einen Kinofilm – alles inhouse produziert, wohlgemerkt.
Ein Comic mit irren Folgen
Auch Mutafukaz, der zweite Animationsfilm für die große Leinwand, ist nicht aus dem Nichts entstanden. Vielmehr bildet die Grundlage ein Comic von Guillaume Renard, der diesen nun in einem sieben Jahre dauernden Prozess selbst adaptierte. Mit ein wenig Hilfe: Co-Regisseur ist Shōjirō Nishimi, der zuvor unter anderem bei Batman: Gotham Knight und Lupin III – The Fuma Conspiracy mitgearbeitet hatte. Und auch Studio 4°C standen dem Franzosen zur Seite. Und wer andere Werke des japanischen Animationsstudios gesehen hat, etwa Mind Game oder Tekkonkinkreet, der weiß, dass dieses es gern ein bisschen abgefahrener mag. Dem steht das neueste Werk dann auch in nichts nach.
Die Parallelen zu Tekkonkinkreet sind dann auch recht offensichtlich: Beide Geschichten spielen in heruntergekommenen Städten, beide handeln von zwei ärmliche Jungen, beide Filme sind von übernatürlichen Elementen geprägt, von teils recht expliziter Gewalt. Bei Mutafukaz geht Letztere jedoch nicht von den Yakuza aus, sondern von schwarzen Ghettogangs. Die Inspirationen des französisch-japanischen Werks liegen dann auch offensichtlich – zum Teil zumindest – in den USA, wo der Film spielt. Immer wieder erklingen Hip-Hop-Beats, auch Wrestler tauchen irgendwann auf. Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Nichts. Und doch wieder alles. Vielleicht.
Detailverliebte Welt voller bizarrer Einfälle
Nein, in Mutafukaz geht es weniger darum, eine tiefsinnige und ausgefeilte Geschichte zu erzählen. Das große Ganze interessiert Renard weniger, er stürzt sich lieber in Details. Die haben es dafür aber in sich. Beispielsweise ist der Kopf von Vinz ein Totenschädel, der unentwegt brennt. Das wird zwischenzeitlich mal thematisiert, so wie der Film allgemein vereinzelt auf eine Meta-Ebene wechselt. Aber es reicht dem französischen Künstler, auf die Seltsamkeit seines Werkes aufmerksam zu machen, sollen doch andere sich mit Erklärungen oder auch deren Fehlen herumärgern. Er will lieber seinen Spaß haben.
Den hat man dann auch als Zuschauer: Mutafukaz ist ein unterhaltsamer, anderthalb Stunden dauernder Animationsfilm, der neben den bizarren Einfällen auch durch sein hohes Stilbewusstsein auffällt. Irgendwo zwischen Anime und Underground-Comic angesiedelt vergisst das Werk bei all seinen kuriosen Designs glücklicherweise die Technik nicht: Vor allem die lebendig-abgefuckte Stadt, die ein klein wenig an The District – Welcome to My Hood erinnert, lohnt es sich einmal näher anzuschauen. Glücklicherweise ist das Wunderwerk, das auf dem Animationsfestival in Annecy debütierte und danach auf zahlreichen Festivals lief, auch im Anflug auf Deutschland.
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