(„Overlord“ directed by Naoyuki Itō, 2015)
So richtig viel hat Momonga ja bislang nicht im Leben hinbekommen. Zumindest im echten Leben. Ganz anders in Yggdrasil, einem Dive Massively Multiplayer Online Role Playing Game. Denn dort gehört er zusammen mit seiner Gilde Ainz Ooal Gown zu den ganz Großen. Oder besser: gehörte. Denn nach zwölf erfolgreichen Jahren sieht das Spiel nun seinem Ende entgegen. Als Momonga darauf wartet, dass der Server abgeschaltet wird, muss er zu seiner Überraschung feststellen, dass damit das Spiel selbst aber noch nicht vorbei ist. Stattdessen entwickelt es ein Eigenleben, die Spielfiguren agieren völlig selbständig, da wartet eine völlig neue Welt auf ihre Entdeckung! Für Momonga ist das die ideale Voraussetzung, um endlich einmal seine Qualitäten zu zeigen – denn als Magic Caster verfügt er über wahnsinnige Kräfte.
Dass in einem Land wie Japan, wo Videospiele wie nur in wenigen anderen Ländern im Alltag integriert sind, die fiktiven Grenzen zwischen Spiel und Realität gerne mal aufgehoben werden, ist eigentlich keine große Überraschung. Und so kommen dann auch hierzulande immer mehr Mangas und Animes auf den Markt, die sich mit eben solchen Grenzüberschreitungen auseinandersetzen. Sword Art Online – Ordinal Scale zum Beispiel, No Game No Life oder eben auch Overlord. Grundlage bietet hier wie so oft eine Light Novel. Dieses Mal stammt sie aus der Feder von Kugane Maruyama, umfasst bislang 11 Bände und ist noch immer nicht abgeschlossen.
Eine Serie für Rolenspiel-Fans
Dass die Animeumsetzung nur einen Teil der Vorlage behandelt, liegt da in der Natur der Dinge. Auch dass diese es ein bisschen eiliger hat. So wahnsinnig viel wird über das Spiel oder die Vorgeschichte nämlich nicht verraten. Die Frage, warum es nach dem Serverende noch weiterläuft, die wird nicht einmal gestellt. Dafür werden sich auf den Gesichtern der Zuschauer erst einmal diverse Fragezeichen bilden. Einige davon werden verschwinden, und sei es nur, weil hier so viel passiert, dass man kaum Zeit zum Nachdenken bekommt. Ein paar bleiben aber bestehen, die vor allem mit dem Computerspiel-Kauderwelsch zusammenhängen, das einem hier um die Ohren gehauen wird. Eine gewisse Affinität zur virtuellen Unterhaltung sollte man daher schon mitbringen, sonst droht angesichts von Insiderausdrücken wie Magic Points, Level oder Skills größere Verwirrung.
Ob es diese Dualität aus Spiel und Realität gebraucht hätte, ist ohnehin fraglich. Auf der einen Seite macht sie natürlich schon ein bisschen den Charme von Overlord aus: Der mächtige Supermagier mit dem Totenkopf ist eigentlich ein menschlicher Versager, der offensichtlich auch seine Probleme damit hat, plötzlich eine so große Verantwortung zu tragen. Teilweise ist das sogar auch witzig. Schön ist beispielsweise der Einfall, Momonga mit zwei Stimmen sprechen zu lassen: einer tiefen, grollen Stimme, wenn er als Overlord auftritt, und einer normalen für die diversen Monologe und Gedanken. Und auch einen Riesenhamster als Monster auftreten zu lassen, macht eine Menge Laune.
Ein Ende des Spaßes
Das Problem ist nur: Overlord verfolgt dieses Ziel zu zaghaft. Als reine Fantasy-Comedy à la El Hazard hätte aus dem Stoff etwas wirklich Besonderes werden können. Viele Wege wären hier möglich gewesen von Satire bis zu Drama. An vielen Stellen ist erzählt der Anime dann aber doch nur eine gewöhnliche RPG-Geschichte, die allenfalls durch ihre Brutalität überrascht. Und nicht einmal die ist hier gut aufgehoben, da dieses Nebeneinander von Humor und Horror nicht so recht funktioniert. Es fehlt ein schlüssiges Gesamtbild. Das Konzept eines Helden aus einer anderen Welt wird später so sehr ignoriert, dass man es auch gleich hätte weglassen können. Auch der Widerspruch des dämonischen Aussehens des Todes-Kopf-Protagonisten und seines normalen Aussehens wird recht bald ad acta gelegt, zusammen mit seinen Selbstzweifeln angesichts seiner eigenen Skrupellosigkeit. Da hilft auch die durchaus brauchbare Optik des Studios Madhouse (Record of Lodoss War, Final Fantasy: Legend of the Crystals) nicht über die Enttäuschung hinweg, wie wenig das Potenzial hier am Ende genutzt wurde.
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