(OT: „Ivan Tsarevitch et la Princesse changeante“, Regie: Michel Ocelot, 2016)
Michel Ocelot schafft dieses eigenartige Kunststück, gleichzeitig einer der spannendsten und langweiligsten Animationsregisseure der Gegenwart zu sein. Spannend deshalb, weil er eine ganz eigene Bildsprache entwickelt, die so gar nichts mit dem zu tun hat, was die Konkurrenz uns zeigt. Langweilig weil er seinen eigenen Weg so lange auf und ab läuft, bis dieser genauso abgenützt ist wie alle anderen auch. Beispiel Kiriku. Als er den kleinen Jungen 1998 erstmals in Kiriku und die Zauberin auf die Welt los ließ, war die Mischung aus starrer Perspektive und afrikanischer Folklore so außergewöhnlich, dass er Dutzende von Preisen einheimsen konnte. Zwei uninspirierte Fortsetzungen und eine Bühnenversion später ist der Zauber längst erloschen.
Und auch sein neuestes Werk ist eher für Ernüchterung denn Faszination gut – sofern man die bisherigen Werke von Ocelot kennt. So richtig neu ist das nämlich nicht, was er in Prinzessinnen und Drachen so zeigt und erzählt. Vielmehr schnappte er sich seine bereits 2010 produzierte Serie namens Dragons et Princesses, nahm vier Folgen daraus und schnitt sie zu einem Film zusammen. Auch das ist nichts Neues, vor einigen Jahren hatte er das bereits bei Tales of the Night getan. Das Problem ist dann auch weniger, dass er hier wieder nur alte Geschichten aufwärmt, sondern dass er die interessanteren Elemente schon beim letzten Mal verbraten hat und hier nur noch die letzten Reste verwenden kann.
Der Anfang ist vielversprechend
Die erste der vier Geschichten ist dabei noch die spannendste: Erzählt wird von einem kleinen Mädchen, das nicht ernst genommen, teilweise sogar misshandelt wird. Dabei hat sie den anderen etwas voraus: Sie kann als einzige die Monster beherrschen, welche die unterirdische Gemeinschaft plagen. Das erinnert natürlich an die Abenteuer von Kiriku, der zielgruppengerecht den Erwachsenen auf der Nase herumtanzt, ist aber allein schon der bizarren Monster wegen sehenswert.
Auch die letzte Episode, welche der Sammlung den Originaltitel Ivan Tsarevitch et la Princesse changeante gab, kann mit einigen fantasievollen Einfällen punkten. Darin geht es um einen jungen Mann, der umherreist und bei verschiedenen mächtigen Männern besondere Besitztümer sucht. Das Ziel: seinen sterbenden Vater heilen. Zwischenzeitlich zieht sich die sehr klassische, auf Wiederholungen abziehende Geschichte aber doch ein wenig. Für die beiden Mittelteile gilt das umso stärker: Die Märchen um einen Zauberlehrling sowie einen Schiffsjungen und dessen Katze sind nette, gefällige Märchen für Kinder. Ohne größere Ambitionen oder pädagogische Ansprüche.
Bilder wie aus einem exotischen Märchen
Visuell ist der Beitrag vom 35. Filmfest München schon spannender: Erneut setzt Ocelot auf Bilder, die dem Scherenschnitt einer Lotte Reiniger (Die Abenteuer des Prinzen Achmed) nachempfunden sind, hier jedoch aus dem Computer entstammen. Das bedeutet, dass hier keine Figuren im herkömmlichen Sinn über die Leinwand spazieren, sondern nur ihre schattenartigen Silhouetten. Während sie selbst rein in Schwarz gehalten sind, sind die Hintergründe dafür oft umso farbiger. Tatsächlich ist es gerade dieser starke Kontrast, der Prinzessinnen und Drachen zusammen mit verschnörkelten Details zu einem reizvollen Anblick macht. Aber auch da hatte Tales of the Night die Nase vorn, war insgesamt der ausdrucksstärkere Titel.
Wer diesen nicht kennt oder trotz allem Nachschub braucht, der wird mit den vier „neuen“ Geschichten trotzdem mehr als brauchbar bedient. Und auch wer einen etwas anderen Animationsfilm für die lieben Kleinen sucht, könnte es hiermit mal versuchen – eine interessante Alternative zum Blockbustereinerlei sind die sehr klassischen, östlichen Märchen dann doch.
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