(„Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes“ directed by Julian Radlmaier, 2017)
Eigentlich findet Julian (Julian Radlmaier) den Kapitalismus ja schon eher doof. Aber was soll man machen? Irgendwoher braucht er ja das Geld, nachdem das mit der Finanzierung seines Films nicht recht vorangeht. Oder auch mit der Finanzierung seines sonstigen Lebens. Und dieser Film, er ist ja auch für eine gute Sache. Für Camille (Deragh Campbell) zum Beispiel. Denn die findet er toll und würde sie gern irgendwie beeindrucken. Also wird sein Aushilfsjob auf einer Obstplantage kurzerhand zu Recherchearbeiten für den Film erklärt. Camille ist auch beeindruckt und will nun mit dorthin – was gleichzeitig schön und unglücklich ist. Und als wäre das alles nicht auch so schon schwierig genug, lernt Julian auf der Plantage Sancho (Beniamin Forti) und Hong (Kyung-Taek Lie) kennen, die eine Menge zu dem Thema Arbeit beizutragen haben. Theoretisch. Vielleicht geht es aber doch auch ganz anders? Zumindest hoffen sie das, nachdem ihnen der Fremde in der Mönchskutte (Ilia Korkashvili) von Italien erzählt und einem Kommunismus ohne Kommunisten.
Manchmal, da reicht schon der Titel eines Films, um dem Zuschauer aufzuzeigen: Vorsicht, hier wird es schräg. Man könnte auch originell dazu sagen, sonderbar, eigenwillig, komisch, albern, doppelbödig, billig, clever oder 50 andere Wörter, die einem spontan so einfallen. Die meisten davon würden sogar stimmen. Vielleicht aber auch nicht. Eigentlich ist Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes ja kein Film, der so richtig warm mit Definitionen wird. Zumindest nicht solchen, die auch definitiv sind. Stattdessen wird lieber nachgedacht, herumgesponnen und nach dem großen Sinn gesucht. Manchmal auch nach einem Apfel. Denn der ist fast noch besser, wenn es darum geht, die nächste Apfelolympiade zu gewinnen.
Ein eigenwilliger Weg quer durch alle Meta-Ebenen
Nein, das was Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Julian Radlmaier da in seinem Abschlussfilm für die Uni abgeliefert, geht meilenweit an dem vorbei, womit andere Filmemacher ihr Geld verdienen wollen. Vielleicht ist Julian ja auch Anti-Kapitalist, so wie sein Namensvetter im Film? Überhaupt, Grenzen zwischen Kunst und Welt da draußen sind in Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes dafür da, nach Lust und Laune ignoriert zu werden. Spätestens wenn der Filmemacher Julian seinen Filmemacher Julian einen Film über sich selbst drehen lässt, dürfte so manches Gehirn im Zuschauerraum nach dem Notausgang suchen. Egal, ob besagter Zuschauerraum nun im Kino oder im Kino des Kinos liegt.
Die Reaktionen dürften entsprechend gemischter Natur sein. Während die einen jubeln, dass hier ein deutscher Nachwuchsregisseur seinen eigenen Weg geht und konsequent mit Erwartungen und Normen spielt, werden die anderen verwirrt dreinschauen. Oder auch gelangweilt. Eine Komödie ist Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes. Aber keine, die mit populärem Toilettenhumor um sich wirft. Das soll nicht heißen, dass der Film eine rein intellektuelle Angelegenheit ist. Vielmehr schuf Radlmaier ein Werk, das gleichermaßen albern wie tiefgründig ist, das mit Metaebenen jongliert, während gleichzeitig seine Protagonisten in kleinen Slapstickszenen die Äpfel der anderen klauen.
Ein Fall für die Freunde skurriler Gedankenspiele
Am ehesten glücklich werden hier Zuschauer, die ein Faible für das Skurrile haben. Bei denen Situation – oder Menschen – sich plötzlich in etwas ganz anderes verwandeln dürfen, ohne dass dafür ein ersichtlicher Grund genannt würde. Nimmt man dies weg, bleibt zwar keine nennenswerte Handlung mehr, dafür aber sicher der eine oder andere Denkanstoß. Der Traum von einem besseren Leben natürlich auch, sei es in dem kommunistenfreien Kommunismus oder auch in einer Hundevorstellung auf einem Filmfestival.
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