Sommerfest
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(OT: „Sommerfest“, Regie: Sönke Wortmann, 2017)

Sommerfest
„Sommerfest“ läuft ab 29. Juni 2017 im Kino

Mit dem Umzug nach München wollte Stefan (Lucas Gregorowicz) den Ruhrpott und seine Bewohner eigentlich endgültig hinter sich lassen, um als Schauspieler Funk und Fernsehen im Sturm zu erobern. Zehn Jahre später ist von Ruhm und Glanz nur Letzteres in greifbare Nähe gerückt – in Form der abendlichen Schminke, bei seiner Anstellung an einem Theater. Während einer Vorstellung erfährt er von dem plötzlichen Tod seines Vater und macht sich umgehend auf den Weg in die längst verdrängte Heimat. Kaum angekommen, will er am liebsten wieder das Weite suchen, muss sich aber zunächst um die Beerdigung und den Verkauf des Elternhauses kümmern. Den alten Erinnerungen folgen bekannte Gesichter, die ihm an jeder Ecke aufzulauern scheinen. Darunter seine Jugendliebe Charlie (Anna Bederke), die ihm erneut den Kopf verdreht. Der Tag der Abreise rückt näher, in München erwartet ihn ein neues Jobangebot sowie seine derzeitige Freundin, und dennoch hegen ihn Zweifel.

Dorfkinder vereinigt euch! Jeder kennt jeden und am Ende kennen einen die Nachbarn doch besser als man sich selbst. Der Ursprung sagenumwobener Mythen und Legenden, die vom Tresen der Dorfkneipe über den Kies des Bolzplatzes an Wahrheit verlieren und Dramatik gewinnen. Die muckelige Enge der ländlichen Gemeinschaft mag nicht jedem auf den Leib geschneidert sein und so suchen viele den beruflichen Erfolg und/oder das persönliche Glück in der Stadt. Kehrt man anschließend zurück, kann es einem kurzen Entspannungstrip vom hektischen Städterleben gleichen oder einer eminent düsteren Bestätigung dessen, was man hinter sich lassen wollte. Für sein neuestes Werk, das auf dem gleichnamigen Roman von Frank Goosen (Radio Heimat) basiert, kehrt Regisseur Sönke Wortmann (Frau Müller muss weg) selbst in seine Heimat zurück. Umgeben von Crewmitgliedern aus der Region, legt er besonders Wert auf die Authentizität der Charaktere und Atmosphäre, die den Ruhrpott über die Landesgrenzen hinaus so bekannt gemacht haben.

Ein Pott voll Charme
Genau diese Originale sind es dann auch, die einen sofort vom filmischen Bahnhof abholen und in ihren voluminösen Busen drücken, der nach Heimat schreit – auf eine verstörte, aber ehrliche Art und Weise. Sei es Omma Änne vom Kiosk um die Ecke, der treue Toto (Nicholas Bodeux), der Chef vom Dienst Diggo (Markus John) oder der Kleinkriminelle Olaf (André Rohde). In der Heimatstadt Bochum ist man auf dem Teppich geblieben und jeder mit zu viel Luft im Kopf, wird umgehend auf den Boden der Tatsachen zurück befördert. Hier lebt man klein, aber gemeinschaftlich, rustikal aber praktisch, kein Schnickschnack, denn dafür fehlen die Nerven. Eine Volksweisheit folgt der nächsten, einem Streit folgt das Versöhnungsbier. Und was wären Freunde ohne peinliche Kindheitsgeschichten? Man kommt nicht drum herum, in eigenen Erinnerung zu schwelgen, die an einfachere Tage erinnern. Eine Ansammlung urkomischer Situationen und Personas, die den Teppich für eine gelungene Wiedervereinigung des damaligen Liebespaares ausrollt.

Eine Liebe ohne Funke
Sind Freunde und Bekannte einmal vorgestellt, tritt Anna Bederke (Till Eulenspiegel) als oft erwähnte Jugendliebe Charlie an Lucas Gregorowicz‘ (Lommbock) Seite. In der Komödie Schrotten! spielten die beiden ebenfalls ein Liebespaar. Umso ungewöhnlicher, dass keine wirkliche Harmonie aufkommen will. Auf Kosten des zunächst so gelobten Reviercharmes, dessen Szenarien durchaus erste Reize geben, Stefans innerlichen Zwist mit seinem aktuellen Leben aber in keinster Weise voranbringen. Stattdessen tritt die Geschichte auf der Stelle, was die projizierte Mentalität der Region bestätigt, den Handlungsfluss dennoch ungemein zäh wirken lässt. Das groß angekündigte Liebescomeback verkommt bis kurz vor Ende zur Nebensache und dürfte in seiner Umsetzung Lesern des Romans und Zuschauern des Films gleichermaßen sauer aufstoßen. Ob gewollt oder nicht begibt sich Stefan auf eine überraschende Zeitreise, an deren Ende er eine Entscheidung treffen muss. Leider mangelt es an jeglicher Struktur und so verkommt das zu Beginn starke Liebesdrama zu einer halbgaren Touristenfahrt durch den Ruhrpott.



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Der Film hat das Herz am rechten Fleck und schafft es, die Essenz des Ruhrgebiets gebührend einzufangen. Abgesehen davon fehlt es an einem klaren Handlungsstrang. Was bleibt, ist eine vage Liebesgeschichte ohne Funken der Leidenschaft und eine Ansammlung einzelner Begegnungen.
6
von 10