(OT: „The Girl with all the Gifts“, Regie: Colm McCarthy, 2016)
Sie sind die letzte Hoffnung der Menschheit und gleichzeitig eine große Gefahr. Während ein Großteil der weltweiten Bevölkerung aufgrund einer Pilzinfektion zu fleischhungrigen Bestien wurde, sind einige Kinder überraschend normal geblieben. Ob sie die Lösung auf die Krankheit in sich tragen? Dr. Caldwell (Glenn Close) ist felsenfest davon überzeugt. Und so führt sie eine Reihe von Experimenten an den Kindern durch, während Sergeant Parks (Paddy Considine) für die Sicherheit sorgt und Helen Justineau (Gemma Arterton) sich um die schulische Bildung kümmert. Als die Basis einem Angriff der sogenannten Hungries zum Opfer fällt, versuchen sie sich zusammen mit dem besonders intelligenten Mädchen Melanie (Sennia Nanua) durchzuschlagen und vielleicht doch noch die Welt zu retten.
Zombies gehören zum Fantasy Filmfest wie Verschiebungen und Verteuerungen zu staatlichen Großprojekten – es wäre einfach nicht dasselbe ohne. Und doch gehört The Girl with all the Gifts sicherlich zu den interessantesten Vertretern, die wir in den letzten Jahren dort haben sehen dürfen. Dass der Horrorstreifen etwas anders sein würde, konnte man sich aber im Vorfeld schon irgendwo ausrechnen. Ein Festivalbeitrag, der anschließend regulär ins Kino kommt, dazu noch prominent und genreuntypisch besetzt ist, das klingt doch gleich nach ein bisschen mehr.
Ein verstörender Anblick
Und zumindest der Anfang des Films hält dieses Versprechen auch. Kleine Kinder, die à la Hannibal Lecter in Das Schweigen der Lämmer einen Maulkorb tragen und an Rollstühle gefesselt sind, das ist schon ein verstörender Anblick. Ebenso die Kombination aus wilder Bestie und artikulierten, fleißigen Schülern. Spannend ist die Adaption von Mike Careys gleichnamigen Roman aber auch vor allem, weil hier die übliche Schwarz-Weiß-Einteilung verwischt wird. Die Geschichte handelt von dem Überlebenskampf zweier Parteien. Warum aber sollte eine davon dazu berechtigt sein und die andere nicht? Die Vermenschlichung von Zombies haben auch andere Filme natürlich bereits in Angriff genommen, etwa Fido – Gute Tote sind schwer zu finden oder The Returned – Weder Zombies noch Menschen. Hier jedoch drohen die Folgen der Überlegungen tatsächlich unangenehm zu werden. Zumindest für die menschliche Seite.
The Girl with all the Gifts gibt sich aber nur teilweise so nachdenklich. Das Drama soll natürlich auch ein Horrorfilm sein und die Anhänger dieses Genres erfreuen. Das tut er auch im Großen und Ganzen. Die Unberechenbarkeit und Semi-Intelligenz der Antagonisten gibt eine schöne Grundspannung vor, die auf Bedarf auch erhöht werden kann. Mal auf eine rein audiovisuelle Art und Weise – die verfallenen, mit Pflanzen überwachsenen Neuzeit-Ruinen machen einiges her, dazu gibt es schön unheimliche Musik. Es darf aber auch ein klassischer Überfall sein: Gerade der sich zu Beginn anbahnende Zombiesturm auf die Bastion lässt einen zumindest schön zusammenzucken.
Der Konventionen zuliebe
Doch nicht alles ist wirklich überraschend. Während die spannende Frage, wie sie Melanie wohl entscheiden will, bis zum Ende des Films im Raum steht, werden unterwegs viele Konventionen abgeklappert. Eine kleine Gruppe von Überlebenden kämpfen sich durch Horden von Zombies auf der Suche nach dem rettenden Ort, das ist der ganz normale Standard. Und auch The Girl with all the Gifts fällt nichts ein, um die vielfach gesehenen Szenen noch irgendwie entscheidend zu variieren, für Überraschungsmomente zu sorgen.
Doch selbst wenn sich der hervorragende Ersteindruck nicht ganz bis zum Ende bestätigt, die britische Produktion ist ein mehr als würdiger Eintrag im Geschichtsbuch des Zombiefilms, der neben der interessanten Ausgangssituation vor allem durch die Besetzung positiv in Erinnerung bleibt. Gemma Arterton (The Voices, Byzantium) und Glenn Close (Albert Nobbs) treten durchweg souverän auf, die junge Sennia Nanua ist dazu eine echte Entdeckung, von der man hoffentlich noch mehr zu sehen bekommen wird.
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