(OT: „Mesteren“, Regie: Charlotte Sieling, 2017)
Eigentlich ist es Simon (Søren Malling) ja gewohnt, immer genau das zu bekommen, was er will. Warum auch nicht? Er ist ein berühmter Künstler, dem alle zu Füßen liegen. Seine Regeln gelten, wer sich nicht an diese hält, der soll gefälligst gehen. Nur einer will sich ihm partout nicht unterwerfen: sein Sohn Caspar (Jakob Oftebro). Den hat er bis heute nicht kennengelernt, was der Filius nun – mit 28 Jahren – ändern möchte. Richtig glücklich ist Simon nicht darüber. Und noch weniger darüber, dass Caspar selbst ein angesagter Künstler sein soll, der mit hausgroßen Postern Kultstatus erlangt hat. Immer wieder kommt es so zu heftigen Auseinandersetzungen, die Simons Frau Darling (Ane Dahl Torp) nur mit größter Not verhindern kann.
Künstler haben alle einen kleinen Schlag, heißt es ja immer wieder gern. Wenn dann auch noch mehrere davon in einer Familie zusammenkommen, kann es richtig heiter werden. Oder auch richtig böse. Ein Beispiel hierfür lieferte kürzlich das polnische Drama The Last Family, welches auf dem Leben der Künstlerfamilie Beksinski basiert. Eine solche Vorlage hat der dänische Kollege The Man zwar nicht, sehr viel harmonischer geht es deshalb aber noch nicht zu. Genauer kombiniert der Film das bekannte Motiv einer späten Familienannäherung mit dem Bild typischer Künstlerexzentrik.
Verrückt ist, wenn man trotzdem lacht
Und exzentrisch ist Simon. Er läuft den ganzen Tag in Schlafanzügen herum, während er Caspar anmeckert, dass er seinen Oberkörper zeigt. Und ein Mitarbeiter muss sich schon mal ausziehen, weil Simon es nicht dulden kann, dass jemand anderes denselben Pullover wie er trägt. Diese Form der ungenierten Spinnerei ist natürlich witzig, ein bisschen freut man sich schon darauf, was das alte Alphatier als nächstes für einen Blödsinn verzapft. Vor allem die Szenen mit Casper werden schnell kurios. Wenn sie nicht gerade einen inoffiziellen Wettbewerb veranstalten, wer – typisch Skandinavier – die wenigsten Silben in einen Satz packt, ist man komisch berührt, wie wenig es braucht, bis die beiden sich wieder streiten. Oder erstaunt. Vielleicht auch beides.
Figuren nicht empfinden zu können, ist normalerweise keine besonders gute Voraussetzung für einen Film. Umso mehr, wenn es sich wie bei The Man um ein Drama handelt. Und doch passt es hier irgendwie. Wenn sich Malling (Men & Chicken) und Oftebro (Wie auf Erden, When Animals Dream) gegenüberstehen, dann nimmt man ihnen ab, dass hier ein Vater-Sohn-Gespann gezeigt, das einfach nicht weiß, wie es kommunizieren soll. Das vielleicht nicht einmal weiß, ob es das eigentlich will. Dafür gibt es ja die Kunst als Ventil und Gemeinsamkeit. Dass hierbei später doch noch eine Annäherung stattfindet, bei allen Differenzen um Caspars Street Art, das versteht sich von selbst.
Hoppla, ich mag dich ja doch!
Bei aller Verschrobenheit und Verstocktheit der beiden Hauptfiguren: The Man ist ein vergleichsweise normaler Film über innerfamiliäre Unsicherheiten und künstlerische Konkurrenz. Einige überraschende Szenen hält der Film schon bereit, gerade zum Ende hin. Manche hängen aber auch damit zusammen, dass es Regisseurin und Drehbuchautorin Charlotte Sieling irgendwie recht eilig hat. Eine allmähliche Versöhnung der zwei muss hier einer recht sprunghaften weichen. Anstatt Simon und Casper eine tatsächliche Entwicklung zuzugestehen, ändert sich das Verhalten – analog zu den Dialogen – nach dem Zufallsprinzip. Und das ist schade, denn bei dem Beitrag vom 35. Filmfest München wäre insgesamt deutlich mehr drin gewesen: Die Figuren sind interessant, die Darsteller gut gewählt, dazu kommt das reizvolle Kunstumfeld und der eine oder andere schöne Moment.
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