(„The Young Pope – Season 1“ directed by Paolo Sorrentino, 2016)
Irgendwie haben sich das alle etwas anders vorgestellt. Als Lenny Belardo (Jude Law) völlig überraschend zum neuen Papst gewählt wird und nicht etwa dessen Mentor Michael Spencer (James Cromwell), haben die Leute nicht schlecht gestaunt. Ein junger bildhübscher Mann als Anführer der katholischen Kirche? Das ist mal was Neues. Weniger neu sind hingegen seine Ansichten. Anstatt den Reformprozess voranzutreiben, will Papst Pius XIII zurück zu den Anfängen und stößt damit fast den kompletten Vatikan vor den Kopf. Kardinal Angelo Voiello (Silvio Orlando) beispielsweise ist entsetzt, wie schnell er entmachtet wird und statt ihm nun die betagte Schwester Mary (Diane Keaton) als Beraterin fungiert. Und auch Sofia (Cécile de France), die für das Marketing des heiligen Stuhls verantwortlich ist, bekommt schnell die etwas eigenen Vorstellungen des neuen Papstes zu spüren. Lediglich in dem bescheidenen Monsignore Bernardo Gutierrez (Javier Cámara) findet er einen treuen Verbündeten.
Nun also auch Paolo Sorrentino. Viele seiner Hollywoodkollegen haben es vorgemacht, sind vom großen Kino zum einst belächelten Fernsehen gewechselt. Kürzlich tat es der gefeierte italienische Filmemacher ihnen gleich und drehte seine erste Fernsehserie. Springt da jemand nur auf einen Trend auf oder würde das neue Format tatsächlich Veränderungen mit sich bringen? Vor allem bei der Optik musste man sich da etwas Sorgen machen, zeigte der Altmeister doch zuletzt in La Grande Bellezza – Die große Schönheit und Ewige Jugend, dass er wie kaum ein Regisseur ein Auge für kunstvolle Bilder hat, die zu ausgearbeitet sind, zu schön, um on dieser Welt zu sein. Und das nun auf dem kleinen Bildschirm?
Kunstvolle Bilder zwischen Alltag und Traum
Glücklicherweise konnte Sorrentino dieses Talent auch in The Young Pope gewinnbringend einsetzen. Genauer treffen seine Kompositionskünste hier auf ein Material zu einer Liaison zusammen, wie sie wirklich nur im Himmel entstanden sein kann. Der Vatikan mit seinen vielen Schätzen, der ornamentreichen Ausstattung, den riesigen Palästen – da gibt es so viele Details, die nur darauf warten, von dem Italiener entdeckt zu werden. Gedreht wurde natürlich nicht im Vatikan, vielmehr handelt es sich um nachgebaute Kulissen in einem Studio. Die sind aber so überwältigend, dass man sich gar nicht daran sattsehen kann oder will. Oft gewinnt das auch surreale Qualitäten, zumal Traum und Alltag, Sehnsüchte und Erinnerungen hier nahtlos ineinander übergehen. Manchmal weiß man dann auch schon gar nicht mehr, ob das alles hier noch stattfindet: Nonnen, die in ihrer Tracht Volleyball spielen, ein Känguru in den Gartenanlagen, in dieser hermetisch abgeschlossenen Welt ist alles möglich.
Dass der Italiener eine Dreherlaubnis erhalten hätte, war daher so oder so nicht sehr realistisch. Nicht bei diesem Inhalt. Dass der 47-Jährige ein Faible für Satire und beißenden Spott hat, auch das sind wir aus seinen letzten Filmen gewohnt. Dort waren es Künstler und die High Society Italiens, die sich unter seinem Blick zu grotesken Karikaturen verwandelten. Das ist in The Young Pope ganz ähnlich. Die verschiedenen Versuche aller Beteiligten, sich zu bereichern, entweder Macht oder Geld zu sammeln, dazu die vielen Marotten und Abgründe – die Serie lässt einen in zehn Folgen komplett den Glauben an das Gute im Menschen verlieren. Und den Glauben an Gott gleich mit.
Eine Geschichte? Nebensache …
An manchen Stellen verkommt der Spott ein bisschen zum Selbstzweck, es stellt sich das Gefühl ein, er wäre weniger daran interessiert, eine tatsächliche Geschichte zu erzählen, sondern eher daran, ein abstoßendes Kuriositätenkabinett aus den heiligen Mauern zu schnitzen. Dass dieser nur blassrote Faden kein echtes Manko wird, das ist auch der hervorragenden Besetzung zu verdanken. Bis in die kleinsten Figuren hinein packen Sorrentino und seine Darsteller so viel Leben, so viel Persönlichkeit, so viel Tragik und Sehnsucht. An Jude Law (Grand Budapest Hotel, Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft) führt hierbei kein Weg vorbei, der als gleichzeitig konservativer und unorthodoxer Papst nicht nur dem Rest-Vatikan den Atem raubt. Verschlagen, selbstverliebt, rachsüchtig, grausam, gleichzeitig aber auch mitfühlend, reflektiert und gerechtigkeitsliebend – in nur zehn Episoden gewinnt die Figur in ihrer Widersprüchlichkeit so viel Kontur, wie man sie nur selten zu sehen bekommt.
Ja, Papst Pius XIII ist ein furchtbar unsympathisches Arschloch. Aber eines, dem man dann doch an den Lippen hängt. Von dem man alles wissen will, seine Gedanken und Gefühle, auch wenn sie noch so grauenvoll sind. Weil sie hier nicht auf reine Gier zurückzuführen sind, sondern auf einen Mann, der verzweifelt auf der Suche ist – nach sich selbst, seiner Rolle und Gott. Eine zweite Staffel der Serie, die bei all ihren bizarren Einfällen oft auch unsagbar traurig ist, ist übrigens bereits in Arbeit. Man darf also gespannt sein, welche Höllen auf Erden wird beim nächsten Mal sehen dürfen.
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