(„Wonder Woman“ directed by Patty Jenkins, 2017)
Zurückgezogen leben Diana (Gal Gadot) und ihr Stamm der Amazonen auf der Insel Themyscira. Es ist ein friedliches Leben und doch auch von Gewalt geprägt: Der Alltag ist bestimmt durch Training und Kampfvorbereitungen für den Fall, dass der verbannte Kriegsgott Ares zurückkommt. Stattdessen wird eines Tages jedoch ein Mann namens Trevor (Chris Pine) angeschwemmt, der von einem furchtbaren Krieg erzählt, der schon Millionen von Menschen das Leben gekostet hat. Für Diana ist klar, dass sie hier nicht tatenlos zusehen kann. Und so machen sich die beiden auf in die Welt der Menschen. Unterstützt von Sir Patrick Morgan (David Thewlis) und einer kleinen Einsatztruppe kämpfen sich die zwei immer näher an die Front, auf der Suche nach dem deutschen Heerführer General Ludendorff (Danny Huston) und dessen getreuer Wissenschaftlerin Dr. Maru (Elena Anaya). Denn Ludendorff, davon ist Diana überzeugt, ist in Wahrheit ihr Erzfeind Ares.
Manchmal, beim Lesen von Kritiken anderer, hat man irgendwie den Eindruck, man hätte in einem ganz anderen Film gesessen. Und das galt zuletzt ganz besonders bei den diversen Teilen aus dem DC Cinematic Universe. Bei Batman V Superman: Dawn of Justice und Suicide Squad wurde so getan, als handelte sich dabei um cineastische Verbrechen an der Menschheit, in völliger Verkennung dessen, wie viel schlechter das alles noch geht. Und nun wird Wonder Woman plötzlich zu einem Meisterwerk verklärt. Das hat zum Teil durchaus mit einer qualitativen Steigerung zu tun, denn der Auftritt der Amazone zeigt den männlichen Kollegen, wie es insgesamt besser geht. Aber da spielen sicher auch die Erwartungen mit rein: Während Batman, Superman & Co. entgegengefiebert wurde und am Ende enttäuschten, waren die Erwartungen an den Folgefilm bereits in Bodennähe. Umso mehr, da die Einführung von Wonder Woman letztes Jahr in Batman V. Superman: Dawn of Justice nun wirklich nicht Lust auf mehr machte: Die Figur war schlampig eingeführt worden, hatte keine Persönlichkeit, Gadot – so schien es – ist nicht mehr als eine Schaufensterpuppe, die jemand am Set zurückgelassen hat.
Eine Heldin nach klassischem Muster
Da macht es Wonder Woman schon deutlich besser. Schön, richtig komplex ist Diana natürlich nicht. Auch aufgrund der kulturellen Unterschiede läuft sie über zwei Stunden planlos und naiv durch die Gegend, muss sich wirklich alles von Steve erklären lassen – von einer kleinen Uhr bis zur großen Frage nach dem Wesen der Menschheit. Was ihr an Bildung oder auch vielfältigen Interessen fehlt, das macht sie durch umso mehr Einsatz wieder wett. Sie weiß, was sie will: die Welt retten. Der Rest sind Details, die sie ignoriert oder einfach zu Bruch schlägt. Hört sich nicht spannend an, ist aber doch erfrischend nach dem pseudotiefgründigen Gefasel, welches die DC-Filme seit Christopher Nolan so geplagt hat. Die Männer wollten immer mehr sein als nur Helden, blieben am Ende aber doch an der Oberfläche. Bei Wonder Woman gibt es keine Ambitionen in der Hinsicht. Sie ist eine klassische Heldin, sie ist die Oberfläche.
Das hätte natürlich leicht sexistisch werden können, seit ihrer Einführung war sie ein patriotisch gefärbtes Pin-up-Girl, das eben auch die Fantasie amerikanischer Männer anregen sollte. Wonder Woman wirkt dem aber in zweifacher Hinsicht entgegen. Zum einen ist sie von Männern umgeben, die ihr ständig sagen, was sie zu tun hat, die ihr am Ende aber alle unterlegen sein werden. Steve ist es beispielsweise sichtlich unangenehm, dass er von einer Frau gerettet werden musste, was dem von Patty Jenkins inszenierten Film doch auch einen feministischen Touch gibt. Von den ganzen Wichtigtuern beim Militär ganz zu schweigen, die sich hinter massiven Schreibtischen verstecken.
Die zweite Gegenmaßnahme: Humor. Der war DC ja schon vor vielen Jahren abhandengekommen, von einigen etwas zu gewollt komischen Szenen in Suicide Squad abgesehen erstickten die Filme an ihrer selbst auferlegten schlechten Laune. Wonder Woman will jedoch nicht nur komisch sein, der Film ist es tatsächlich auch. Ganz ähnlich zu dem Marvel-Kollegen Thor, wo es ebenfalls eine Gottheit in die Welt der Menschen verschlug, wird ganz ausgiebig mit dem Fish-out-of-Water-Prinzip gespielt. Nicht nur, dass Diana noch nie einen Mann gesehen hat, was für lustige, gleichzeitig sexuell aufgeladene Momente sorgt. Sie kann auch mit dem Rest der Gesellschaft nichts anfangen, was Anlass für einige sehr schöne Seitenhiebe bietet. Wunderbar ist zudem das Zusammenspiel mit Lucy Davis, welche als treue Sekretärin Etta Candy den Spaßfaktor noch weiter erhöht.
Aus Spaß wird Ernst … und Pathos
Schwierig wird es jedoch, wenn Wonder Woman in der zweiten Hälfte des Films diese Leichtigkeit und Verspieltheit wieder ablegt, um doch noch zu einem regulären Heldenfilm zu werden. Ein großes Manko sind dabei die Kämpfe. Die sind nicht sonderlich zahlreich, schaffen es aber dennoch, sich selbst immer wieder zu sehr zu wiederholen. Jenkins beschränkt sich darauf, immer im sekündlichen Wechsel die Szenen in Normalgeschwindigkeit, dann wieder in Zeitlupe ablaufen zu lassen, während Wonder Woman herumwirbelt. Kugeln können ihr nichts anhaben, da sie alles automatisch mit ihren Armreifen abwehrt. Und durch die Luft fliegen kann sie auch, bis auf eine Szene, wo sie sich auf einmal doch dabei helfen lassen muss – ohne dass eine Begründung dafür gegeben wird.
Nein, spannend ist das nicht. Eher im Gegenteil. Um diese mangelnde Abwechslung auszugleichen, wird dafür der Pathosfaktor immer stärker erhöht. Wer dafür empfänglich ist, darf natürlich gebannt auf die Leinwand starren, wie sich Wonder Woman durch Heerscharen metzelt. Aber es ist schon sehr gekünstelt, was Jenkins da macht. Richtig schlimm wird es jedoch zum Ende hin, wenn persönliche Entwicklung mal wieder nur durch die Brechstange funktioniert, der Pathos zu einem erdrückenden Kitsch wird, der nicht nur die erste Hälfte ad absurdum führt, sondern dem Film auch jegliche Persönlichkeit raubt. Und das ist schade, angesichts des hohen Unterhaltungsfaktors, den Wonder Woman hatte. Angesichts der interessanten, wenn auch kaum genutzten Nebenfiguren. Angesichts der schönen Kulissen. Aber auch wenn der immense Hype dann doch ein wenig übertrieben war, der stärkste Beitrag des DC Extended Universe ist der Film zweifelsfrei und stimmt optimistisch, dass in Zukunft vielleicht doch noch gute Werke dieser Reihe entspringen, die mehr als nur große Namen, Bombast-CGI und klinisch schlechte Laune mitbringen.
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