(OT: „Le Petit Locataire“, Regie: Nadège Loiseau, Frankreich, 2016)
Man kann nicht unbedingt behaupten, dass im Leben von Nicole Payan (Karin Viard) alles nach Plan läuft. Ihr Mann Jean-Pierre (Philippe Rebbot) ist seit zwei Jahren arbeitslos und scheint auch kein großes Interesse daran zu haben, das zu ändern. Also liegt es an Nicole, Geld zu verdienen und sich um Haushalt und Familie zu kümmern. Um ihre Tochter Arielle (Manon Kneusé) beispielsweise, die so gar nicht in der Lage ist, Enkelin Zoé (Stella Fenouillet) ein Zuhause zu geben. Und dann wäre da noch Nicoles eigene Mutter Mamilette (Hélène Vincent), die inzwischen in die Jahre gekommen ist und Betreuung braucht. Aber als wäre das nicht alles schon genug, muss Nicole plötzlich feststellen, dass sie schwanger ist – mit 49 Jahren!
Und schon wieder eine französische Komödie, die in die deutschen Kinos kommt. Traditionell sind Filme der Grande Nation bei uns gut vertreten und gern gezeigt, zumal mancher davon (Ziemlich beste Freunde, Monsieur Claude und seine Töchter) zum unerwarteten Kassenschlager wurde. Doch so verständlich das insgesamt ist, so erfreulich im Einzelfall, ein bisschen schade ist es schon, wie sehr sich hiesige Verleiher auf den komödiantischen Bereich versteifen und andere Genres weitestgehend ignorieren.
Komik und Ernst im Kombipack
Wobei, das mit der Genreeinteilung ist hier so eine Sache. Natürlich hat Regisseurin und Co-Autorin Nadège Loiseau eine ganze Menge lustiger Einfälle, die etwa die geistesabwesende Oma betreffen. Oder auch einen Pieper, der darauf aufmerksam machen soll, wenn sich Nicole mal wieder übernimmt – was aber niemanden wirklich zu interessieren scheint. Die Nebenhandlung um Sohn Vincent (Raphael Ferret), der als Koch auf einem U-Boot arbeitet und nur schwer zu erreichen ist, die nähert sich sogar zuweilen dem nicht immer geglückten Klamauk an.
Und doch ist das alles nur die halbe Wahrheit. Ähnlich zu Victoria – Männer & andere Missgeschicke kürzlich trifft die Bezeichnung Komödie nur zum Teil, dafür sind viele Elemente zu ernst und nachdenklich. Hinter all dem Chaos, das sich bei Familie Payan auftürmt, stecken bei dem Beitrag vom 35. Filmfest München Schicksale, die durchaus dem Leben entnommen sind. Arbeitslosigkeit im Alter und die Schwierigkeit, wieder rauszukommen. Die Überforderung als Mutter. Gebrechlichkeit und der Verlust körperlicher Würde. Und natürlich die Frage: Abtreibung ja oder nein. Was heißt es, als Endvierziger noch einmal ein Kind zu bekommen? Kann das überhaupt gutgehen?
Auf der Suche nach einer Linie
Es ist nicht unbedingt alles neu, was Loiseau da erzählt. So ganz sicher schien sie sich wohl nicht gewesen zu sein, wie sie ihren preisgekrönten Kurzfilm zu einem immerhin 100 Minuten dauernden Werk umbauen soll. Als Folge macht sie es sich an einigen Stellen zu bequem und bedient sich diverser Klischees. An anderen würde sie dagegen gern etwas wirklich Eigenes erzählen, scheitert dann aber doch an der Laufzeit: Das unerwartete Glück der Familie Payan bietet nicht genügend Raum, um jede Idee wirklich auszubauen. Manches verpufft plötzlich, war nicht mehr als ein Gag für zwischendurch. Auch die Figurenentwicklung erfolgt nicht immer nachvollziehbaren Bahnen – sofern sie überhaupt stattfindet.
Und doch ist Das unerwartete Glück der Familie Payan ein sympathischer Film geworden. Gerade das Zusammenspiel von Viard (Die Besucher – Sturm auf die Bastille, Lolo – Drei ist einer zu viel) und Rebbot (Der Effekt des Wassers, Die fast perfekte Welt der Pauline) funktioniert gut: ein Ehepaar, bei dem so vieles im Leben schiefgegangen ist, das aber trotz allem noch zusammenhält. Wie hier zwei Menschen versuchen, eine Situation zu meistern, die sie eigentlich völlig überfordert – Kunststück, sie sind ja schon mit dem Alltag überfordert –, das sieht man trotz der Schwächen dann doch irgendwie gern. Vielleicht sogar gerade wegen der Schwächen.
(Anzeige)