(OT: „L’Histoire de l’Amour“, Regie: Radu Mihaileanu, Frankreich/Kanada/Rumänien/USA, 2016)
Jeden hätte Alma (Gemma Arterton) damals haben können. Und doch gab es nur einen für sie: Léo (Mark Rendall). Der wollte unbedingt schreiben, für sie zumindest. Nur für sie. Aber es kam anders: Der Zweite Weltkrieg entzweit die beiden, als der totgeglaubte Léo zurückkommt, ist Alma längst in anderen Händen. Das Schicksal der beiden bleibt jedoch auch im Anschluss miteinander verbunden. Léo (Derek Jacobi) ist jetzt ein alter Mann geworden, der schon längst nicht mehr schreibt, aber doch seinem Leben von damals und den verpassten Chancen hinterhertrauert. Gleichzeitig ist auch die 15-jährige Alma (Sophie Nélisse) der Geschichte von damals sehr verbunden, wurde sie doch nach der Figur in dem Buch benannt, das Léo einst für seine Alma geschrieben hatte.
Wem diese kurze Zusammenfassung schon ein bisschen verworren erscheint, der sollte sich auf einiges gefasst machen: Die Geschichte der Liebe ist ebenso undurchschaubar und chaotisch wie die Liebe selbst. Mindestens. Das liegt jedoch weniger an Radu Mihaileanu. Der rumänisch-französische Regisseur und Drehbuchautor schlägt sich sogar durchaus achtbar darin, den Roman „The History of Love“ von Nicole Krauss adaptieren zu wollen. Denn der zeichnete sich eben genau dadurch aus, dass zwei Handlungsstränge auf verschiedenen Zeitebenen parallel erzählt werden, ohne dass dabei von Anfang an ersichtlich ist, wie beide zusammenhängen.
Mal hier, mal dort, dann und wann
Das ist bei der Filmversion dann genauso. Mit einer Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg beginnt Mihaileanu seine Geschichte, wechselt dann zum stark gealterten Léo. Anstatt nun aber, wie es normalerweise üblich ist, sich chronologisch von dem einen Fixpunkt zum anderen vorzuarbeiten, springt er ständig in der Zeit herum – auch innerhalb eines Handlungsstrangs. Da sprechen der rund 80-jährige Léo und sein Jugendfreund Bruno (Elliott Gould) über Ereignisse, die erst später gezeigt werden. Viele Hintergrundinformationen, die zum Verständnis notwendig sind, werden erst nach und nach hinzugefügt.
Für die Liebhaber klassischer Romanzen ist das durchaus eine kleine Herausforderung. Anstatt sich hier zurücklehnen zu können und ungehemmt loszuschluchzen, ist erst einmal der Kopf gefragt. Eben weil Buch und Film vieles nicht vorkauen, ist der Zuschauer gezwungen, die Puzzleteile selbst zusammenzusetzen. Das ist sicher die weniger zugängliche Methode, auf 130 Minuten ausgedehnt manchmal sogar ein bisschen anstrengend. Aber es hat auch seinen Reiz: Fast wie in einem Krimi heißt es hier, Hinweise zu sammeln und zu rekonstruieren, was sich zugetragen hat – mit dem Unterschied, dass es einige Jahrzehnte sind, durch die wir uns durchwühlen, und nicht eine einzelne Tatnacht.
Interessantes Puzzle mit wenig interessantem Inhalt
Tatsächlich ist die komplexe Erzählweise sogar die eigentliche Stärke des Films, da einen die Neugierde an den Kinosessel fesselt: Was ist da eigentlich wirklich passiert? Ließe man diese weg und konzentriert sich ausschließlich auf die Geschichte, dann ist das Drama deutlich weniger interessant. Es ist eine wenig erbauliche Mischung aus Zufälligkeiten, Klischees und jeder Menge Kitsch, welche die Grundlage der Romanze bilden. Einiges ist heillos übertrieben, anderes dafür kaum ausgebaut, sodass Detailfragen unbeantwortet bleiben, manche Punkte schlicht unbefriedigend sind.
Dafür kann der Eröffnungsfilm vom 23. Jüdischen Filmfest Berlin & Brandenburg mit einer schönen Ausstattung und einem namhaften Ensemble punkten. Derek Jacobi als griesgrämiger alter Mann, der nicht von seiner großen Liebe lassen kann. Gemma Arterton (Ihre beste Stunde, Ein Sommer mit Flaubert) als umschwärmte und lebenshungrige junge Frau. Und natürlich Newcomerin Sophie Nélisse (Mean Dreams), die als junge Alma eine ganze Menge Eigensinn zeigt. Gründe gibt es also schon ein paar, sich Die Geschichte der Liebe einmal anzuschauen. Aber nicht wirklich genug, um aus dem Film mehr als Durchschnitt zu machen. Trotz der diversen Holzhammerangriffe entwickelt das Drama kaum echte Gefühle, versteift sich auf Liebesschwüre, anstatt diese auch spürbar zu machen.
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