(OT: „Yek Khanévadéh-e Mohtaram“, Regie: Massoud Bakhshi, Iran/Frankreich, 2012)
Ganze 20 Jahre ist es her, dass der Wissenschaftler Arash (Babak Hamidian) dem Iran den Rücken zugekehrt hat. Doch nun ist er zurück in seiner alten Heimatstadt Shiraz, um zu unterrichten. Dort wartet auch schon sein Neffe Hamed (Mehrdad Sedighian) auf ihn und versucht ihn zu einer kleinen Familienzusammenführung zu überreden. Schließlich liegt der Vater von Arash, zu dem er seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte, im Sterben. Bald stellt sich jedoch heraus, dass es Hamed weniger um den Familienfrieden geht. Es ist vielmehr das Vermögen des Schwerkranken, an das er heranmöchte – zur Not auch mit anderen Mitteln.
Lange genug hat es ja gedauert, bis Eine respektable Familie den Weg nach Deutschland gefunden hat. Fünf Jahre ist das Drama um einen Wissenschaftler, der sich hier mit Gegenwart und Vergangenheit auseinandersetzt, inzwischen schon alt. Dafür ist er jetzt gleich mehrfach zu sehen: Neben dem offiziellen Kinostart Ende Juni ist die iranisch-französisch auch gern gesehener Festivalgast, unter anderem beim vierten iranischen Filmfestival in München. Gelohnt hat sich die Wartezeit jedoch, wenngleich der Film teilweise richtig harte Kost ist.
Ein düsteres Thema nach dem anderen
Eine ganze Reihe von Themen spricht Regisseur und Drehbuchautor Massoud Bakhshi hier an, eines abstoßender als das andere. Ob es die normale Alltagskriminalität ist oder die Unterdrückung der Frau, Korruption im Staatsapparat oder der Krieg zwischen dem Iran und dem Irak – man hat den Eindruck, dass es dem Filmemacher hier gar nicht wirklich um die Geschichte einer Familie ging. Vielmehr ist es die Geschichte des Landes, welcher hier erzählen will, verknüpft eben mit dem Schicksal von Arash. Und es ist keine Geschichte, die einen sonderlich hoffnungslos in die Zukunft blicken lässt.
Wer sich mit der Vergangenheit auskennt, hat definitiv mehr von Eine respektable Familie. Wo andere Regisseure den Zuschauer gern an die Hand nehmen, wird er hier schnell im Stich gelassen. Anderthalb Stunden dauert der Film nur, besteht aber aus so vielen Szenen, so vielen Einzelgeschichten. Und aus so vielen Zeiten: Immer wieder wendet der Film Flashbacks an, um Hintergründe zu liefern oder den Konflikten Kontexte zu geben. Allerdings wird darauf verzichtet, die Grenzen hier hart zu ziehen: So wie die Themen ineinander übergehen und sich gegenseitig bedingen, so sehr verschwimmen auch die Grenzen zwischen Gegenwart und Vergangenheit.
Gut aufpassen ist Pflicht
Auf diese Weise fordert Bakhshi volle Aufmerksamkeit vom Zuschauer: Wer nicht genau aufpasst und bereit ist die Puzzleteile aktiv zusammenzusetzen, der sieht vor lauter Details das Bild nicht mehr. Zumal dieses die erwähnten Scheußlichkeiten bereithält: Sympathieträger sind in dieser vermeintlich respektablen Familie die Ausnahme. Wer wie Arash versucht, ein aufrechtes Leben zu führen, der kann schon von Glück reden, wenn er am Ende heil wieder rauskommt. Mal wird er nur betrogen, mal aktiv behindert. Aber auch persönliche Drohungen sind nicht ausgeschlossen.
Es sind gerade die düsteren Erfahrungen, welche die Hauptfigur sammelt, gepaart mit der daraus folgenden Desillusion und Niedergeschlagenheit, welche den Film auszeichnen. Und ihn gleichzeitig schwer verdaulich machen. So schön es ist, von der allmählichen Öffnung des persischen Staates zu hören, zunehmend auch Filme wie Under the Shadow oder The Salesman sehen zu dürfen. Beiträge wie dieser hier oder auch Taxi Teheran erinnern einen daran, wie weit dieser Weg in eine moderne, freie Gesellschaft noch ist. Und mit wie viel Leid der bisherige verbunden war.
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