James und der Riesenpfirsich
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James und der Riesenpfirsich

(OT: „James and the Giant Peach“, Regie: Henry Selick, USA/UK, 1996) 

James und der RiesenpfirsichGlück? Nein, das hat James (Paul Terry) nie wirklich gehabt. Erst verliert er seine Eltern in sehr jungen Jahren, danach muss er bei seinen Tanten Schwamm (Miriam Margolyes) und Zinke (Joanna Lumley) leben. Die sind nicht nur besonders hässlich, sondern auch besonders gemein, lassen das Waisenkind täglich schuften und gönnen ihm nicht einmal etwas zu essen. Doch dann geschieht etwas Unglaubliches: Ein Fremder schenkt ihm einen Beutel mit magischen Krokodilzungen. Als er stolpert und diese verliert, wächst im Garten plötzlich ein Riesenpfirsich. Und das ist nur der Anfang eines großen Abenteuers, das er zusammen mit einigen riesigen Insekten erleben wird, als sie sich auf den Weg nach New York machen – der große Traum von James.

Erwartungen können etwas Furchtbares sein. Das weiß wohl niemand besser als Henry Selick, der 1996 mit James und der Riesenpfirsich ein schweres Erbe antreten musste. Das war bis dato nicht umfangreich gewesen, bestand eigentlich nur aus einem Film. Wenn dieser aber ausgerechnet The Nightmare Before Christmas ist, dann kann das durchaus ein Problem sein. Umso mehr, da der Amerikaner für sein Zweitwerk ein Buch von Roald Dahl zur Grundlage nahm: Die verrückte Welt des Halloweenskeletts trifft den Meister des Düster-Skurrilen – ein absoluter Traum!

Insgesamt sehenswert, aber …
Ähnlich wie das Aufeinandertreffen von Tim Burton und Alice im Wunderland Jahre später – eine weitere vermeintlich idiotensichere Kombination – war das Ergebnis jedoch nicht annähernd so überzeugend wie im Vorfeld erhofft. James und der Riesenpfirsich ist dabei aber zweifelsfrei der bessere Film. Während sein Mentor bei seiner Umsetzung des Lewis-Carroll-Klassikers jegliche Fantasie vermissen ließ, seine wenigen Eigenleistungen eine Beleidigung für jeden Fan der Vorlage waren – Stichwort Hutmachertanz –, ist der Animationsfilm insgesamt durchaus sehenswert. In Teilen zumindest.

Genauer ist es der Mittelteil, der James und der Riesenpfirsich zu einem würdigen Mitglied des eigenen Animationsregals macht. Wie in The Nightmare Before Christmas zuvor oder einige Jahre später in Coraline zeigt sich Selick als Meister des Stop-Motion-Verfahrens. Anders als die recht unauffällige Musik von Randy Newman ist die Optik wunderbar verspielt, steckt voller verschrobener Details – nicht ohne Grund gewann der Film beim Annecy Animationsfestival 1997 den großen Preis. Ganz so aufwändig wie sein Film für Laika ist das hier sicher nicht, denn bei dem späteren Animationsstudio gab es dann doch noch ganz andere technische Möglichkeiten. Aber dafür gibt es hier diverse Momente der Magie und Fantasie: Ein besonderer Höhepunkt ist der Kampf der Truppe gegen einen mechanischen Hai, bei der die munter zusammengewürfelte Truppe echten Teamgeist und Einfallsreichtum beweisen muss.

Seltsam, komisch, was fürs Herz
Zwischen liebenswürdig und kurios werden die an und für sich eher furchterregenden Insekten zu der Familie, die James nie hatte. Das ist natürlich immer was fürs Herz, gerade auch bei einem Film, der sich an eine jüngere Zielgruppe richtet. Ein Waisenkind, das endlich Freunde findet, dazu ein Monster, das keines ist – beides sind Elemente, die Dahl auch in BFG – Big Friendly Giant unterbrachte. Dazu gibt es humorvollere Passagen auf der Habenseite und im englischen Original eine ganze Menge Sprecherprominenz: Unter anderem leihen Richard Dreyfuss und Susan Sarandon ihren Figuren ihre Stimmen. Das tröstet dann auch darüber hinweg, dass die Insekten zwar lustig sind, zum Teil aber keine allzu starken Persönlichkeiten aufweisen.

Das trifft dann leider auch auf die beiden Tanten zu, die von Margolyes und Lumley zwar mit viel Lust an der Hässlichkeit gespielt werden, dabei aber wenig Lust machen, den Film auch weiter anzuschauen. Anders gesagt: Nur weil etwas widerwärtig ist, ist es noch lange nicht spannend. Von einem ganz frühen Moment abgesehen sind die Realszenen, welche den Anfang und das Ende markieren, auch das große Manko des Films. Die sind zwar nicht wirklich lang, zusammen nur 20 Minuten. Doch das ist immerhin ein ganzes Viertel von James und der Riesenpfirsich. Beim ersten Mal wird man sich diese zähen, optisch wenig ansprechenden, nicht einmal grotesk-komischen Szenen wohl oder übel anschauen müssen. Anschließend dürften die meisten aber froh sein, dass der eigene Player eine Skip-Funktion hat.



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In „James und der Riesenpfirsich“ zeigt Regisseur Henry Selick erneut, dass er einer der besten Stop-Motion-Regisseure ist. Denn zumindest der Mittelteil, wenn ein Waisenjunge und seine Insektenfreunde mit einem Pfirsich nach New York reisen, ist ein visuell ansprechendes, skurriles Abenteuer. Die Musik kann da nicht mithalten. Größtes Manko sind aber die furchtbar langweilen Realfilmszenen.
7
von 10