(OT: „Praise the Lard“, Regie: Chen Shelach, 2016)
Arme Sau, möchte man da nur sagen. Nein, einen leichten Stand hat das intelligente Borstentier in Israel ja nicht. Von der einen Seite wegen seines schmackhaften Fleisches geschätzt, muss es sich auf der anderen gegen viele Vorurteile wehren. Vor allem eines: Es ist schmutzig. So schmutzig, dass es niemand jemals in den Mund nehmen sollte, egal ob konkret oder als Wort. So schmutzig, dass es in Israel nicht gehalten werden sollte, manch einer nur aus Verteufelungen von diesem Vieh gehört hat. Selbst gesehen? Himmel, nein!
Nun werden in Religionen gerne mal Traditionen gepflegt, die man als Außenstehender nicht wirklich nachvollziehen kann. Daran wird auch Praise the Lard nicht wirklich etwas ändern: Abgesehen von einer kurzen Passage, in der das wenig glückliche Aufeinandertreffen der alten Griechen und Juden beschrieben wird, stellt sich die Frage nach dem „warum“ nicht. Stattdessen interessiert Regisseur und Co-Autor Chen Shelach vielmehr, inwiefern das Thema für das heutige Israel relevant ist.
Essen ist mehr als nur Essen
Von Anfang an wird die Frage nach der Verzehrung von Schweinefleisch so in einen größeren Kontext gestellt. Es geht nicht darum, ob die Entscheidung religiös oder anderweitig zu rechtfertigen ist, sondern was die Entscheidung eigentlich bedeutet. Früher stand sie dafür, der Unterdrückung durch andere Kulturen und Religionen zu trotzen: Ich bin ich, weil ich das hier nicht esse. Heute wurde aus dem Widerstreit der Befürworter und Gegner einer zwischen einem Israel, das sich als Religionsgemeinschaft ansieht und einem, das in erster Linie ein Staat ist. Also: Ich bin ich, weil ich das esse.
Das klingt komisch und reizvoll zugleich, was von Shelach sicher auch so intendiert war. Schon der Titel Praise the Lard – zu Deutsch „Gesegnet sei das Schweinschmalz“ – ist nicht ganz zufällig eine ironische Abwandlung von „Praise the Lord“. Immer wieder kommen in der nicht einmal 60 Minuten dauernden Dokumentation dann auch Szenen, die einen so ungläubig auf das Geschehen starren lassen, dass man dabei völlig vergisst den Kopf zu schütteln. Ernste Überlegungen und ein ironischer Ton gehen hier Hand in Hand.
Ein eigenwilliges, nicht unspannendes Thema
Die Ausarbeitung des Themas ist dabei weniger originell: Shelach wechselt zwischen historischen Aufnahmen und aktuellen Interviews hin und her. Dabei geht es zum einen über das Thema der Selbstbehauptung und kulturellen Identität. Aber auch wirtschaftliche Überlegungen spielen eine wichtige Rolle: Der Beitrag vom 23. Jüdischen Filmfest Berlin & Brandenburg behandelt, wie viel Geld in diesem Bereich steckt. Für manche ist der Handel mit dem umstrittenen Gut nur zweitrangig eine Gewissensfrage, sondern vielmehr eine existenzielle Notwendigkeit. Von irgendwas muss man ja leben. Eindeutige Antworten darauf gibt Praise the Lard nicht, will das aber wohl auch gar nicht. Dem Film reicht es, ein Thema anzusprechen, von dem viele wohl nicht einmal wussten, dass es eines ist.
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