(OT: „Shoujo Kakumei Utena: Adolescence Mokushiroku“, Regie: Kunihiko Ikuhara, Japan , 1999)
Jeder Neuanfang ist schwer. Das kann die hübsche Utena Tenjo nur allzu gern bestätigen, als sie an die renommierte Ohtori-Akademie wechselt. Nicht nur, dass sie dort auf ihren ehemaligen Liebhaber Kiryu Toga stößt, worauf sie gut hätte verzichten können. An der Akademie wird zudem ein seltsamer Brauch gepflegt: Wer dort einen der rosenförmigen Ringe trägt, darf sich mit anderen duellieren. Der Preis der Mühen ist Anthy, die sogenannte Rosenbraut. Die ist nicht nur sehr schön, sondern soll auch über magische Kräfte verfügen. Nach anfänglichem Zögern lässt sich Utena auf dieses Spiel ein und muss dabei lernen, über sich hinauszuwachsen.
Aus erfolgreichen Animeserien Kinofilme zu machen, das ist eine kommerziell naheliegende, inhaltlich manchmal zwiespältige Angelegenheit. Vor allem dann, wenn eine Serie eigentlich in sich abgeschlossen ist. Manche entscheiden sich daher, aus dem Stoff noch ein parallel stattfindendes Midquel zu machen (Cowboy Bebop – Der Film) oder die Vorgeschichte zu erzählen (High Speed! – Free! Starting Days). Bei Revolutionary Girl Utena – The Movie ging man einen dritten Weg, den schwierigsten von allen: Man nimmt bekannte Szenarien, Figuren und Elemente, erzählt sie aber in einer alternativen Variante komplett neu.
In der Theorie hört sich das gut an: Fans der Vorlage bekommen etwas Neues geboten, Quereinsteiger sind ohne Vorkenntnisse dabei. In der Praxis sieht das jedoch ganz anders aus. Wer weder die 39-teilige Serie noch den zugrundeliegenden Manga von Chiho Saito kennt, wird erst einmal so gut wie nichts verstehen. Aber selbst eingefleischte Fans dürfen sich hier an mehreren Stellen am Kopf kratzen und den eigenen Verstand infrage stellen. Es ist aber auch zu seltsam, was einem bei der Filmfassung hier vorgelegt wird. Regisseur Kunihiko Ikuhara und Drehbuchautor Yoji Enokido hatten zuvor beide an Sailor Moon gearbeitet, Letzterer zudem für Neon Genesis Evangelion und FLCL geschrieben. Das passt nicht zusammen? Stimmt. Und das gilt dann auch für Revolutionary Girl Utena – The Movie.
Dabei führt der Einstieg noch genüsslich in die Irre. Ein Mädchen, das an eine neue Schule wechselt, das gehört zu den beliebtesten Szenarien im Animebereich. Rosen, französische Elemente, Revolution, Fechten, Rosen, homoerotische Szenen – das erinnert schon sehr an Lady Oscar. Die Figuren sehen so aus, als wären sie aus einem Shôjo-Malbuch rauskopiert worden. Kitschige und wahnsinnig tragische Momente gibt es ohnehin mehr als genug. Und doch trügt der Eindruck. Von Anfang an ist Revolutionary Girl Utena – The Movie irgendwie seltsam, losgelöst von der Realität. Die ganze Akademie ist von Rosen bewachsen, hinzu kommt die höchst eigenartige Architektur mit freischwebenden Treppen und fehlender Außenwelt – eine Mischung aus Puella Magi Madoka Magica und Der König und der Vogel.
Kopfüber in surreale Bilderwelten
Und das ist nur der Anfang. Je länger der vom Animationsstudio J.C.Staff (Darkside Blues, Selector Infected WIXOSS) produzierte Film andauernd, umso fremdartiger wird er. Surrealer. Rein technisch gesehen ist das für den großen Preis beim Annecy Animationsfestival nominierte Werk nicht überragend. Die Animationen selbst sind eher schwach, oftmals fehlt es an Hintergründen. Im Einklang mit dem nicht minder eigenartigen Inhalt wird so aber ein Anime draus, den man dann doch bis zum Ende schaut. Mit der Zeit werden einige Vorgeschichten hinzugefügt, sodass die anfangs so willkürlichen Puzzlestücke zumindest etwas zusammenfinden. Ein schlüssiges Bild wird trotzdem nicht draus: Szenen beginnen und enden ohne jegliche Übergänge, ohne auch, dass sie je einen Kontext bilden würden. Die Figuren sind kaum nachzuvollziehen. Und just in dem Moment, wo man meint, trotz der elliptischen Erzählweise und der traumartigen Bilder so etwas wie einen Sinn in dem Ganzen entdeckt zu haben, folgt eine Magical-Girl-Verwandlung, wie sie bizarrer kaum sein könnte. Wer ein Faible für das sehr symbolbeladene Aufarbeiten von Traumata hat, der darf bei dem Beitrag vom Fantasy Filmfest 2002 viel grübeln und bestaunen. Einen tatsächlich narrativen Film sollte man jedoch besser nicht erwarten.
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