(OT: „Spider-Man: Homecoming“, Regie: Jon Watts, USA, 2017)
Einige Monate sind bereits vergangen, seitdem Peter Parker alias Spider-Man (Tom Holland) zusammen mit den Avengers kämpfte. Doch von seinem Mentor Tony Stark aka Iron Man (Robert Downey Jr.) ist weit und breit nichts zu sehen. Um dennoch vorbereitet zu sein, wenn seine Hilfe gebraucht wird, trainiert er täglich und macht sich auf die Jagd nach Verbrechern in seiner Nachbarschaft. Tatsächlich stößt er dabei auf die Machenschaften des undurchsichtigen Vogelmannes Vulture (Michael Keaton), der mit außerirdischen Waffen Handel treibt. Glauben will Parker aber niemand. Und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als auf eigene Faust zu ermitteln, während er gleichzeitig versucht, seinem großen Schwarm Liz (Laura Harrier) näherzukommen.
Es war eine Mischung aus Mitleid und Häme, mit der man Sony Pictures in den letzten Jahren zusah, wie sie sich mit Spider-Man abmühten. Da verfügten sie schon über die Filmrechte an dem wohl größten Marvel-Helden überhaupt. Trotz astronomischer Budgets kamen sie aber kaum gegen die comicinterne Konkurrenz an, wurden zwischenzeitlich sogar von Nobodys wie den Guardians of the Galaxy an den Kinokassen überholt. So manch einer orakelte gar, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis die Rechte wieder zurück ins Mutterhaus wanderten. Dann kam es aber doch ganz anders: Sony und Disney einigten sich auf einen Deal, der gegenseitige Gastauftritte ermöglichte. Und so durfte sich der Spinnenmann bei seinem Reboot zunächst in The First Avenger: Civil War ins gemachte Nest setzen, bevor er sich in Spider-Man: Homecoming prominente Unterstützung holt.
Ein neuer „Iron Man“? Nicht wirklich…
Ein „richtiges“ Crossover aus Spider-Man und Iron Man ist der neue Film dann aber doch nicht geworden. Robert Downey Jr. darf zwar diverse Male auftreten, um seinen jungen Protegé zurechtzuweisen. Doch der teuer erkaufte Auftritt des Avengers dient in erster Linie der medienwirksamen Verknüpfung mit dem Marvel Cinematic Universe. Dafür bekommen wir von Jon Favreau, der Iron Man und Iron Man 2 inszenierte und dort wie hier Starks Assistenten Happy Hogan spielt, mehr zu sehen. Überraschenderweise ist aber auch Marisa Tomei fast völlig abwesend – obwohl sie doch die Tante des Titelhelden verkörpert. Wir sind zwar des Öfteren in Mays Wohnung, meistens aber, wenn die gerade nicht da ist.
Andererseits passt das zu einem Film, der fast völlig darauf verzichtet, die Vergangenheit seines Protagonisten zu beleuchten. Wer weder die Comics noch die früheren Adaptionen kennt, der bekommt keinerlei Hinweise dazu, was mit Peters Eltern passiert ist, woher er seine Kräfte hat und warum er sich ausgerechnet wie eine Spinne verkleidet. Den einen oder anderen wird das vielleicht ärgern oder zumindest enttäuschen. Und doch ist Homecoming der vielleicht menschlichste aller bisherigen Marvel-Filme. Hier begleiten wir keinen Superhelden, so gern er auch einer wäre. Peter ist ein Jugendlicher durch und durch. Jemand, der gerne cool und angesehen wäre, vor allem bei seinem großen Schwarm Liz. Jemand der unentwegt Tony Stark hinterhertelefoniert in seiner jugendlichen Sehnsucht nach Anerkennung. Jemand, der letztendlich mit der Gesamtsituation überfordert ist.
Und auch sein Gegenüber unterscheidet sich deutlich von dem, was wir sonst aus Marvel-Filmen gewohnt sind. Normalerweise sind die Antagonisten damit beschäftigt, die Welt entweder zu besitzen oder sie zu zerstören. Adrian Toomes/Vulture repräsentiert stattdessen den kleinen Mann, der es leid ist, von den Großen herumgeschubst zu werden. Er will selber mitmischen, immerhin in der Lage sein, seine Familie zu ernähren. Denn nicht einmal das wird ihm gestattet, nachdem sie ihm in der ersten Szene gleichgültig und herablassend jegliche Lebensgrundlage nehmen. Wo viele seiner Filmkollegen blass bleiben, ist seine Geschichte persönlich und tragisch, von innerer Wut getrieben.
Selten so gelacht
Ein ernster Weltschmerzfilm ist Homecoming deshalb aber nicht. Im Gegenteil: Wie nur wenige Filme aus dem umfangreichen Marvel-Universum setzen die Drehbuchautoren hier auf Humor. Und das gelingt Regisseur Jon Watts sehr gut: Wie zuletzt in Cop Car versteht er es bei seinem Big-Budget-Debüt Action und Komik zu verbinden, ohne dass es dabei zu Widersprüchen kommt. Ob es Peters vergebliche Selbstjustizausflüge sind, eine wunderbare Anspielung an Ferris macht blau oder die umwerfend witzigen Nebenfiguren wie die Mitschüler Ned Leeds (Jacob Batalon) und Michelle (Zendaya), der Unterhaltungsfaktor ist hoch, kommt zu keiner Zeit ins Stolpern.
Allgemein ist die Besetzung brillant: Holland (The Impossible, Die versunkene Stadt Z) durfte schon in Civil War zeigen, dass er ähnlich zu seinem Kollegen Ant-Man eine ganz andere Form des Helden verkörpert (vom unnötigen Waschbrettbauch einmal abgesehen). Sein Peter Parker ist ein unbeschwerter Jugendlicher, mit einer unbändigen Energie ausgestattet. Keaton wiederum, der nach Batman und Birdman mit Vulture nun schon den dritten Flattermann verkörpert, gibt seiner Rolle die Schwere und auch Bedrohlichkeit, um aus dem Film mehr zu machen als nur eine weitere Comicadaption. Wenn die beiden sich zu einem späteren Zeitpunkt endlich gegenüberstehen, dann ist das von einer Intensität und Tragik, die an einen der besten Momente in Batmans Rückkehr erinnert. Und so steht Spider-Man: Homecoming in der Tradition vieler Comicverfilmungen, schafft es aber trotz der bekannten Elemente etwas eigenes daraus zu machen und etwas frischen Wind in die inzwischen formelhafte Geldmaschine zu blasen.
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