(OT: „Saibi“, Regie: Sang-ho Yeon, Südkorea, 2013)
Das Dorf ist dem Untergang geweiht, da für kein Weg dran vorbei. Schließlich soll ein neuer Staudamm gebaut werden, da brauchen die Behörden den Platz. Immerhin wurden die Einwohner entschädigt: Jeder erhielt eine ordentliche Summe, um woanders ein neues Leben anzufangen. So ordentlich, dass dies den Geistlichen Gyeong-seok Choi und Pfarrer Sung auf eine Idee bringt: Die Einwohner sollen dieses Geld spenden, dann würden sie an anderer Stelle eine schöne Kirche errichten. Außerdem hätten im Himmel ohnehin nur 144.000 Menschen Platz, da kann man schon mal ein bisschen was dafür springen lassen. Die Gläubigen fressen den beiden auch aus der Hand, umso mehr, da sie offensichtlich sogar Kranke heilen können! Was sie dabei nicht ahnen: Das ist alles ein groß angelegter Betrug, um sie um ihre Ersparnisse zu erleichtern. Lediglich Min-chul Kim durchschaut die Sache, wird aber mit seinen Vorwürfen nicht ernstgenommen – denn der ist als Trunkenbold und Schläger selbst nicht unbedingt ein Vorzeigemitglied der Gemeinde.
Animationsfilme sind nur etwas für Kinder? Das ist ein ebenso altes wie falsches Vorurteil, das schon viele Filmemacher widerlegt haben. Kaum einer scheint aber derart besessen von dem Ziel zu sein, der Welt all ihre Hässlichkeit aufzuzeigen, wie Sang-ho Yeon. Hierzulande kennt man den Südkoreaner hauptsächlich für sein Duo Seoul Station und Train to Busan, welches sich mit den Auswirkungen einer Zombieepidemie auseinandersetzt. Der eine oder andere wird vielleicht aber auch The King of Pigs gesehen haben, ein brutales, teils surreales Drama über Mobbing an koreanischen Schulen, welches vor einigen Jahren in den Kinos lief. Vorenthalten wurde uns hingegen The Fake, das dazwischen erschien, immerhin aber als US-Import zu beziehen ist.
Ein Film ohne Licht(blicke)
Lohnenswert ist der Kauf sicher, so lange man etwas für düstere Stoffe übrig hat. Denn hier wird es richtig düster. Das betrifft zum einen die Bilder, welche aus einer Mischung von Grau- und Brauntönen bestehen, sofern es nicht gleich ganz schwarz wird. Oder auch mal rot. Denn Blut fließt hier so einiges. Nein, für Kinder ist The Fake weder gedacht noch geeignet. Mit einer ebenso sinnlosen wie brutalen Tötung eines Hundes beginnt der Film, von da an geht es praktisch kontinuierlich bergab. Nicht jede Gewalt davon ist körperlicher Natur, oft quälen die Figuren einander – oder sich selbst –, indem sie übelste Beschimpfungen an den Kopf werfen oder Schwächen gnadenlos ausnutzen.
Warum Yeon seinen Film mit derart kaputten Figuren bevölkert, wird nicht gesagt, wird auch nie wirklich klar. Während Chois finanzielle Ausnutzung der Lage immerhin noch nachvollziehbar ist, scheinen andere sich grundlos am Unglück zu weiden. The Fake als nihilistisch und zynisch zu beschreiben, würde dem Ausmaß nicht gerecht. Zuneigung? Sympathie? Fehlanzeige. Das macht es aus Zuschauersicht natürlich ein klein wenig schwierig: Ein Film, der nur aus Antagonisten besteht, lädt nicht unbedingt dazu ein, bei jemandem mitzufiebern – nicht einmal die ahnungslosen Einwohner wollen einem wirklich leidtun. Spannend ist der Film dafür umso mehr. Dass hier alles früher oder später auf eine absolute Katastrophe hinauslaufen wird, das ist früh klar. Aber wie, wer und wo bei dem Duell als Verlierer hervorgeht, das ist kaum abzusehen.
Hässlich durch und durch
Ansehnlich ist der Film ohnehin nicht. Das Problem ist dabei weniger die angesprochene, sehr eingeschränkte Farbpalette. Auch die realistisch gehaltenen Figuren gehen in Ordnung. Aber man merkt The Fake wie auch schon The King of Pigs zuvor an, dass keiner wirklich Yeon Geld für seine düstere Vision geben wollte. Wenn der Film beim Annecy Animationsfestival wetteiferte, dann sicher nicht der technischen Brillanz wegen. Ein paar nette Effekte gibt es, Scheinwerferlicht zum Beispiel, dazu auch interessante Perspektiven. Das abgründige Drama überzeugt aber in erster Linie durch seine finstere Atmosphäre, nicht durch die Bilder oder Animationen, die teils ebenso hässlich sind wie die Persönlichkeiten der herumkrakeelenden Menschen. Was bleibt ist Entsetzen und Verzweiflung und ein Film, der viel von Glauben spricht, einen aber selbst jeden Glauben an das Gute verlieren lässt.
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