(OT: „Les Petits Meurtres d’Agatha Christie“, Regie: Éric Woreth/Marc Angelo, Frankreich, 2013)
Über 40 Jahre ist Agatha Christie mittlerweile schon tot, doch noch immer werden regelmäßig neue Adaptionen der Queen of Crime für Film und Fernsehen produziert. Während die Welt noch auf die erlesene Starparade Mord im Orient-Express wartet, die im November in die Kinos kommen soll, bekommen wir hierzulande zweimal Nachschub für die eigenen vier Wände: Partners in Crime und Mörderische Spiele.
Die bemerkenswertere der beiden Serien ist hierbei sicher die Letztere. Nicht nur dass sie aus Frankreich kommt, was für die urenglischen Geschichten eine interessante Abwechslung darstellt. Nicht nur dass es sich bei der Veröffentlichung um die zweite Staffel handelt, während die erste nach wie vor ignoriert wird. Ungewöhnlich ist auch, was die Franzosen aus den Vorlagen gemacht haben. Serien leben ja davon, dass sie wiederkehrende Figuren haben, für die wir jedes Mal aufs Neue einschalten. Bei Christie war die Auswahl in der Hinsicht jedoch immer begrenzt: Wer Hercule Poirot oder Miss Marple zum Protagonisten machte, hatte eine Menge Stoff zum Verarbeiten. Das Ehepaar Tommy und Tuppence Beresford ist immerhin für ein paar Folgen gut, siehe besagtes Partners in Crime oder die erste Serie aus den 80ern namens Detektei Blunt.
Anne Giafferi (Familie auf Rezept) und Murielle Magellan, die beiden Kreativköpfe hinter Mörderische Spiele, wollten aber etwas Neues. Und so schufen sie einfach neue Ermittler. In der nicht veröffentlichen Staffel 1 waren das Kommissar Jean Larosière und Inspektor Émile Lampion. In Staffel 2 sind das die neugierige Journalistin Alice Avril (Blandine Bellavoir), der nüchterne Polizist Swan Laurence (Samuel Labarthe) sowie dessen Sekretärin, der blonde Monroe-Verschnitt Marlène Leroy (Élodie Frenck). Die drei stolpern nun durch lauter Fälle, die gar nicht für sie gedacht waren, ursprünglich auch verschiedene Ermittler hatten.
Bekannte Vorlagen, neu präsentiert
Dass bei Adaptionen von Christie gern mal ein bisschen nachgeholfen wird, Geschichten umgeschrieben und Protagonisten ausgetauscht werden, ist nicht neu – berühmtes Beispiel sind die beiden Miss-Marple-Filme Der Wachsblumenstrauß und Vier Frauen und ein Mord, in deren Vorlagen eigentlich Hercule Poirot auf Mördersuche war. Hier ist es dann umgekehrt. Der erste Fall von Avril und Laurence ist Fata Morgana, ein Marple-Roman, der in den 80ern auch in der BBC-Reihe mit Joan Hickson verfilmt wurde. Auch bei den beiden anderen Filmen von Collection 1 sind alte Bekannte dabei: Blausäure hat mehrere Film-Vorgänger (unter anderem 2003 Sparkling Cyanide), die Geschichte von Ein Schritt ins Leere wird der eine oder andere von Warum haben sie nicht Evans gefragt? kennen. Der stumme Zeuge, im Original mit Hercule Poirot, war in Poirot zu sehen.
Also alles ein alter Hut? Nicht so ganz. Denn auch wenn Elemente der vier Vorlagen beibehalten wurden, unter anderem die Mordhergänge, so wurde gleichzeitig so viel verändert, dass selbst Christie-Kenner reinschauen dürfen. Gelungen ist dabei vor allem das Szenario. Die Geschichten spielen nun allesamt in den 50ern und werden von einer entsprechenden Ausstattung begleitet. Alles ist schön bunt und très chic, es gibt nette Kostüme und Oldtimer en Masse, dazu wunderbar altmodische Einrichtungsgegenstände. Spaß macht aber vor allem das Zusammenspiel der drei Hauptfiguren: Avril ist enthusiastisch-aufdringlich, Laurence herablassend-süffisant, Marlène das typische Vorzimmerdummchen mit Vorliebe für Glamour und Herzschmerz. Wenn die drei aufeinandertreffen, dann wird es fast immer spaßig, an vielen Stellen ist Mörderische Spiele mehr Komödie denn Krimi.
Nicht alles, was neu ist, ist auch gut
Weniger geglückt sind die diversen Versuche, den Ablauf der Geschichte zu ändern. Die sind einerseits löblich, um so alten Hasen frisches Futter zu geben. Oft hat dies jedoch ärgerliche Folgen, zumindest aus Sicht eines Krimifans. Manche neuen Morde werden nicht wirklich aufgeklärt, Tathergänge ergeben keinen Sinn, nicht mal das Motiv überzeugt immer. Wer Christie immer gern gelesen oder geschaut hat, um selbst Rätsel zu knacken und graue Zellen zu trainieren, der muss sich hier auf Frust einstellen. Aber auch wenn das französische Experiment nicht zu 100 Prozent überzeugt, so bietet es doch eine unterhaltsame Abwechslung zu dem Krimieinerlei im Fernsehen, das sich gegenseitig mit Brutalität und tragischen Ereignissen überschlägt. Bei den augenzwinkernden Verbrechen von Mörderische Spiele darf man noch seinen Spaß haben. Und das ist ja auch nicht verkehrt.
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