Das ist unser Land
© Alamode Film

Das ist unser Land!

(OT: „Chez Nous“, Regie: Lucas Belvaux, Frankreich/Belgien, 2017)

Das ist unser Land
„Das ist unser Land!“ läuft ab 24. August 2017 im Kino

Pauline (Émilie Dequenne) hat es echt nicht leicht in ihrem Leben. Da wären ihre zwei Kinder, um die sie sich allein kümmern muss, weil ihr Ex ein Nichtsnutz ist. Da wäre ihr Vater Jacques (Patrick Descamps), der sich an so gar keine Anweisungen hält. Da wären ihre Patienten, um die sich die Krankenpflegerin aufopferungsvoll kümmert, ohne viel dafür zu bekommen. Als der charismatische Arzt Dr. Berthier (André Dussollier) ihr vorschlägt, für eine neue Partei bei der nächsten Wahl zum Bürgermeister zu kandidieren, schlägt sie deshalb auch schnell aus: Woher soll sie dafür noch die Zeit nehmen? Doch je mehr sie sich damit beschäftigt und auch die Reden der Parteichefin Agnès Dorgelle (Catherine Jacob) hört, umso überzeugter ist sie, auf diese Weise doch dem einfachen Volk helfen zu können. Dass die Partei im Geheimen fremdenfeindliche Absichten hegt, wird ihr gar nicht bewusst. Und auch nicht, dass ihr neuer Freund Stéphane (Guillaume Gouix) einiges mit diesen Leuten gemeinsam hat.

Puuuh, das war aber knapp! Nachdem sich allüberall – im Westen, im Süden, im Osten – nationalistische Irrlichter auf den Regierungsstühlen dieser Welt festsetzen, sah es einen Moment schon so aus, als würden wir auch Frankreich noch verlieren. Ein spürbarer Seufzer der Erleichterung ging da durch die zivilisierte Welt, als in der Grande Nation eben doch nicht die Front National an die Macht kam. Aber woher kommt es eigentlich, dass in so vielen Ländern, darunter altgedienten Demokratien, die Idioten das Zepter in die Hand nehmen? Was sind das für Leute, die ihnen freiwillig unser Schicksal anvertrauen? Regisseur und Co-Autor Lucas Belvaux gibt uns eine Antwort. Und es ist keine schöne Antwort, die wir da bekommen.

Vorsicht, Gefahr von rechts!
Aber das will der Belgier auch gar nicht. Wohlfühlkino? Das sollen ruhig andere drehen. Er will lieber vor den Gefahren warnen, die da draußen lauern. Vor den gefährlichen Demagogen, die hinter nett und einleuchtend klingenden Worten perfide Interessenpolitik betreiben. Dass mit der im Film genannten Partei Rassemblement national populaire eigentlich die Front national gemeint ist, daraus macht er kein Geheimnis. Deren Vorsitzende Agnès soll Marine Le Pen sein, hat ebenfalls ihre Partei dem radikal auftretenden Vater entrissen, um so mit denselben Ideen, aber einem staatsmännischen Äußeren in die Regierung zu kommen. Und sie sieht dem realen Vorbild sogar ähnlich.

Sonderlich subtil ist das nicht. Dass Das ist unser Land! noch gut vor den französischen Präsidentschaftswahlen in die heimischen Kinos kam, das hatte sicherlich auch mit einem selbst auferlegten politischen Bildungsauftrag zu tun. „Schaut, was für Leute das wirklich sind“, ist dem Film ins Bewusstsein geschrieben. Gerade auch die von Agnès und Dr. Berthier gern vertuschten Beziehungen zum gewaltbereiten Teil ihrer Bewegung sollen die wahren Absichten entlarven und die Partei als unwählbar darstellen.

Ein Schäfchen unter Wölfen
Nun wäre ein Film, der einfach nur davon spricht, dass die angeblich um die Franzosen bemühten Volksverteidiger in Wahrheit Rassisten sind, ohne Kontrast ein bisschen langweilig. Also gibt es hier sogar zwei. Da wäre Paulines Vater Jacques, der als Altkommunist so etwas wie der natürliche Feind der Faschisten ist. Nur ist er ein unvernünftiger Dickkopf und nicht unbedingt ein Sympathieträger. Bringt also nix. Im Gegensatz dazu seine Tochter: Die ist so nett, so freundlich, so gern gesehen, dass sie nicht nur von der Partei, sondern auch von Belvaux selbst missbraucht wird – als naives Häschen, das ohne es zu merken, in eine schlimme Sache gerät.

Ein bisschen strapaziert sie schon die Nerven, wie sie da brav zu allem „ja“ sagt, immer nur für alle das Beste will. Aber gerade dadurch ist Das ist unser Land! auch so kraftvoll: Sie ist eben keine selbstsüchtige Egomanin, die unter ihrem Bett ein Hakenkreuztagebuch versteckt. Sie will wirklich etwas verändern, das Leben für alle besser machen und wird dadurch zu einem idealen Opfer der Partei. Und das zumindest ist Belvaux eindrucksvoll gelungen: Er lässt die Grenzen zwischen Tätern und Opfern verschwimmen. Nicht um die Partei zu verharmlosen, sondern um zu zeigen, wo die Gefahren liegen. Zu zeigen, dass die Wahrheit nicht so einfach ist, die Wähler solcher Nationalisten keine homogene Gruppe sind. Dass es eben die Nicht-Spinner sind, für die man kämpfen muss. Durch Aufklärung. Dass der Filmemacher dafür so manche neun gerade sein lässt, er mit kaum zu vermittelnden Zufälligkeiten arbeitet – geschenkt. Das Politdrama mag nicht das geschickteste sein, geht einem aber so durch Mark und Bein, dass man die Welt da draußen wieder mit ganz anderen Augen sieht. Traurigen, wütenden, aber eben auch wachen Augen.



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„Das ist unser Land!“ ist eine kaum verhohlene Abrechnung mit der französischen Front National. Das ist manchmal etwas plump und unglaubwürdig, führt aber doch eindrucksvoll vor Augen, wie die Nationalisten arbeiten, mit welchen Mitteln sie Leute zu ihren Anhängern machen, die dort eigentlich nichts zu suchen haben.
7
von 10