(OT: „The Dark Tower“, Regie: Nikolaj Arcel, USA, 2017)
Jake Chambers (Tom Taylor) ist ein ganz normaler Junge, der gemeinsam mit seiner Mutter Laurie (Katheryn Winnick) in New York lebt. Zumindest war er einmal normal. Aber seitdem sein Vater während eines Einsatzes ums Leben kam, läuft nichts mehr für ihn. Er ist aggressiv, hat ständig Ärger an der Schule. Und dann wären da noch seine eigenartigen Alpträume von einer fremden Welt. Was er nicht ahnt: Diese Welt existiert tatsächlich. Dort versucht der finstere Mann in Schwarz (Matthew McConaughey) einen Turm zu zerstören, um so Herrscher über alle Welten werden zu können. Doch dafür braucht er Kinder mit einer besonderen Begabung. Kinder wie Jake. Und nur Revolvermann Roland Deschain (Idris Elba), der seit vielen Jahren gegen den Zauberer kämpft, kann die Apokalypse jetzt noch aufhalten.
Bei der Frage, welcher Film wohl der übelste Flop des Jahres wird, wurden immer wieder zwei große Namen in den Raum geworfen: Valerian – Die Stadt der tausend Planeten und Der dunkle Turm. Letzterer dürfte am Ende aber sicherlich glimpflicher davonkommen. Zum einen ist die Vorlage bekannter: Stephen Kings gleichnamige Romanreihe ist weltweit dann doch noch geläufiger als die obskure französische Comicreihe aus den 60ern. Dann wären da Idris Elba und Matthew McConaughey, die mehr Starpower mit sich bringen. Vor allem aber soll das Budget mit 60 Millionen Dollar deutlich günstiger gewesen sein. Das freut das Studio, das Publikum jedoch weniger. Denn die Buchverfilmung ist auf eine Weise billig, wie sie es gar nicht hätte sein sollen und müssen.
Eine fremde Welt ohne fremde Elemente
Eine herbe Enttäuschung ist dabei beispielsweise die fremde Welt, in der Roland und sein böser Gegenspieler kämpfen und die später auch Jake kennenlernen soll. Wenn es normale Menschen in solche Parallelwelten verschlägt, dann ist das normalerweise ein Freibrief, die unglaublichsten Landschaften, die eigenartigsten Kreaturen zu zeigen. Von beidem ist hier nicht viel zu sehen. Während Valerian ein Füllhorn an farbenfrohen Sonderbarkeiten ausschüttete, gibt sich Der dunkle Turm deutlich genügsamer. Es gibt zu Beginn eine nett anzusehende Wüste. Das war es aber auch schon. Die Monster haben nur kurze Auftritte, bleiben ohne Wiedererkennungswert. Und auch die Umgebung übt sich dunkler Sprachlosigkeit. Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.
Ärgerlich dabei: Da wäre so viel mehr drin gewesen. Beispielsweise kommen Roland und Jake an einem verlassenen, verfallenen Vergnügungspark vorbei. Warum der da ist, weiß keiner der dortigen Bewohner. Sie wissen nicht einmal, was ein Vergnügungspark ist. Einsame Vergnügungsparks aus einer vergangenen Zeit sind eigentlich immer dankbare Orte für gespenstische Aufnahmen. Der dänische Regisseur Nikolaj Arcel, der zuvor unter anderem die Komödie Die Wahrheit über Männer und das oscarnominierte Historiendrama Die Königin und der Leibarzt inszeniert hat und zuletzt die Drehbücher für die Jussi-Adler-Olsens-Filme (Erbarmen) schrieb, entschloss sich jedoch, seine eigene Steilvorlage zu ignorieren. Wirklich zu sehen sind die Parks nicht, die Hintergründe werden nicht erklärt. Eine kurze Nennung und schon geht es weiter.
Große Hektik, wenig Inhalt
Das ist nur eines der Beispiele für ein Problem, das sich durch den gesamten Film zieht: Der dunkle Turm rast durch seine Geschichte, wirft dem Publikum immer wieder Brocken vor die Füße, kümmert sich dann aber nicht darum, was daraus wird. Das seltsame Mantra, mit dem sich Roland in die richtige Schießstimmung versetzt, ergibt zu Beginn keinen Sinn. Ergibt trotz zahlreicher Wiederholungen auch zum Ende keinen Sinn. Die Hintergründe des Revolvermanns beschränken sich darauf, dass er im Laufe der Zeit alle geliebten Menschen an den Zauberer verloren hat. Der wiederum ist der typische Bösewicht, dessen einzige Ambitionen darin besteht, alle Welten zu beherrschen. So wie alle eben.
Am interessantesten ist noch seine Fähigkeit, Menschen zu ungewollten Aktionen zwingen zu können, meist tödlicher Natur. Aber jedes Mal, wenn er diese Fähigkeit einsetzt, springt der Film schon wieder weiter, ohne wirklich etwas zu zeigen – wie bei allem. Ähnlich sieht es beim Fish-out-of-Water-Humor à la Wonder Woman aus, als es Roland auf die Erde verschlägt: Es gibt einige wenige Witze, die so gar nicht zum Rest des betont düsteren Films passen und im Anschluss gleich wieder fallengelassen werden. Jakes „Shining“, eine Verknüpfung zu Kings gleichnamigen Roman, ist einfach da, gleiches gilt für den Turm. Warum gibt es den? Wer hat ihn gebaut? Und warum braucht es Kinder, um ihn zu Fall zu bringen? Der dunkle Turm verrät es nicht.
Das ist natürlich der Nachteil, wenn man versucht, eine achtbändige Romansaga in einen einzigen Film zu quetschen. Einen nur anderthalb Stunden langen Film wohlgemerkt. Das reicht hinten und vorne nicht, um der Mythologie der Vorlage gerecht zu werden oder den Figuren etwas wie Tiefe zu geben. Stattdessen konzentriert sich Der dunkle Turm auf die wenig interessanten Personenkonstellationen aus dem Klischeelabor und die Kämpfe. Letztere reichen aber auch nicht aus, um dem Film wirklich Kontur zu verleihen, trotz Rolands überaus beeindruckender Nachladegeschwindigkeit. Denn dafür sind die zu kurz, zu unübersichtlich, zu eintönig. Vor allem der große Showdown ist eine furchtbare Enttäuschung. Ansehen kann man sich das Ergebnis trotz der vielen Mängel sicherlich, zumindest der Schauspieler wegen. Angesichts der komplett fehlenden Persönlichkeit ist das fantasielose Fantasyabenteuer aber im Grunde nicht mehr als ein No-Name-B-Movie mit großen Namen. Vielleicht macht es ja die Serie besser, die nächstes Jahr starten und Hintergründe liefern soll. Wer die Bücher nicht kennt, dürfte nach Der dunkle Turm aber nur wenig Lust haben, der Geschichte eine zweite Chance zu geben.
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