Der Hunderteinjaehrige der die Rechnung nicht bezahlte und verschwand
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Der Hunderteinjährige, der die Rechnung nicht bezahlte und verschwand

(OT: „Hundraettåringen som smet från notan och försvann“, Regie: Felix Herngren/Mans Herngren, Schweden, 2016)

Der Hunderteinjaehrige der die Rechnung nicht bezahlte und verschwand
„Der Hunderteinjährige, der die Rechnung nicht bezahlte und verschwand“ ist seit 28. Juli 2017 auf DVD und Blu-ray erhältlich

Auch der schönste Geldregen hat einmal ein Ende. Diese Erfahrung muss zumindest Allan Karlsson (Robert Gustafsson) machen, der dank seines ausschweifenden Lebens mit 101 Jahren plötzlich wieder vor dem Nichts steht. Diese schreckliche Erkenntnis versucht er sich zu versüßen, indem er die letzte Flasche der Folk Soda köpft. Dabei handelte es sich um eine russische Limonade, die während des Kalten Krieges kurz davor stand, Coca-Cola den Kampf anzusagen, dann aber doch vom Markt genommen wurde. Obwohl sie eigentlich besser war. Aber was damals nicht geklappt hat, wäre doch einen zweiten Versuch wert oder nicht? Und so machen sich Allan, Julius (Iwar Wiklander), Pike (Jens Hultén) und das kleine Äffchen Erlander auf den Weg, das verschollene Rezept ausfindig zu machen. Das wiederum schmeckt anderen nicht: Kurz drauf heften sich eine Reihe weiterer Gestalten – darunter die Russin Kristina (Svetlana Rodina Ljungkvist) – an ihre Fersen und wollen ihrerseits das Rezept in ihre Hände bekommen.

Was einmal funktioniert hat, muss doch auch mehrfach funktionieren – nach diesem Motto verfahren weltweit Filmemacher, die mit mal mehr, mal weniger sinnvollen Fortsetzungen das Publikum ein zweites Mal zur Kasse bitten wollen. Felix Herngren wollte das auch. Sein Problem war jedoch, dass sein Hit Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand nun mal eine Romanadaption war. Und Jonas Jonasson, der Autor besagter Vorlage, hatte es offensichtlich nicht sehr eilig, einen zweiten Teil über den rüstigen Rentner und seine Chaostruppe zu schreiben. Was also tun? Hengren tat sich mit seinem Bruder Mans zusammen und entwickelte mit ihm sowie Hans Ingemansson – der hatte auch schon Teil eins als Drehbuchautor zu verantworten – eine reine Filmfortsetzung.

Ein absurdes Abenteuer auf bewährten Pfaden
Ein bisschen dreist ist das natürlich schon. Aber auch mutig: Würde das Publikum einen Nachfolger annehmen, der nicht vom Originalschöpfer stammt? Um das Risiko abzumildern, entschlossen sich die Schweden daher, lieber erst gar keins einzugehen. Schon der deutsche Endlostitel orientiert sich sehr stark an dem ersten Teil, um auch dem letzten klarzumachen, dass es sich hier um einen weiteren Film mit Allan Karlsson handelt. Aber auch bei den folgenden mehr als 100 Minuten wollte man sich lieber nicht zu weit von dem entfernen, was Der Hundertjährige zu einem Hit machte: ein Rentner, in dem mehr steckt, diverse meist ziemlich bescheuerte Gangster, turbulente Actionszenen mit hohem Chaosfaktor, dazu ein Streifzug durch die Geschichte.

Verständlich ist diese Strategie natürlich. Aufregend jedoch weniger. Eine Idee, so gut sie auch sein mag, ist beim zweiten Mal selten gleichermaßen überzeugend. Umso mehr, wenn sie so sehr auf den Überraschungseffekt setzte wie es Jonasson tat: Der Reiz des Buches bestand eben auch darin, dass ein unscheinbarer Greis, der in einem Altersheim versauert, den niemand wirklich ernstnimmt, ein so aufregendes Leben geführt haben soll. Spionage, Krieg, Explosionen von Kind an, je mehr wir über Allan erfuhren, umso absurder wurde die Geschichte. Das zeitgleich erzählte Abenteuer in der Gegenwart war zwar im Vergleich harmlos, bot aber auch noch einige schön skurrile Einfälle.

Eher enttäuschende Vorgeschichte
Der Hunderteinjährige wählt ebenfalls diesen zweigeteilten Weg. Während die Jagd auf das Rezept in der Gegenwart dem Vorgängerverschwinden noch vergleichsweise nahekommt, sind die Rückblicke dieses Mal jedoch eher enttäuschend. Das liegt natürlich auch daran, dass der Vorgänger schon sehr ausführlich das Vorleben beschrieb. Da blieb kaum noch Raum, neue Episoden hinzuzufügen, ohne sich in Widersprüchen zu verheddern. Der Einfall, dass die USA und Russland ihren Kalten Krieg auch auf Getränkeebene führte, ist zudem der Vorlage würdig: verrückt, satirisch, völlig überzogen.

Ein vergleichbares Feuerwerk gibt es beim zweiten Mal dann aber eben doch nicht zu bestaunen. Die reizvolle Verknüpfung von einem fiktiven Leben und historischen Ereignissen à la Forrest Gump, die wurde hier auf ein Mindestmaß gestutzt. Anstatt wie zuvor ein Stelldichein großer Persönlichkeiten zu organisieren, beschränken sich die Herngren-Brüder diesmal auf eine Geschichte. Nun ist Konzentration oft eine Tugend. Hier jedoch weniger: Die Neugierde, welche bizarren Erlebnisse und alternative Geschichtsanekdoten als nächstes kommen, wird nur selten befriedigt. Die Komödie ist damit insgesamt durchaus ordentlich, für Fans aufgrund der Ähnlichkeit auch einen Blick wert. Ihr fehlt jedoch der anarchische Esprit, der ihre Vorgängerin und vor allem das Buch noch ausgezeichnet hat.



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Hilfe, der verrückte Alte ist wieder da! Grundsätzlich orientiert sich „Der Hunderteinjährige, der die Rechnung nicht bezahlte und verschwand“ schon sehr am erfolgreichen Vorgänger: Erneut erlebt eine Chaostruppe absurde Abenteuer, dazu gibt es Verknüpfungen zu historischen Ereignissen. Letztere sind aber deutlich seltener geworden, insgesamt fehlt dem Film der anarchische Esprit und das Element der Unvorhersehbarkeit.
5
von 10