(OT: „Die Hannas“, Regie: Julia C. Kaiser, Deutschland, 2016)
Wo Anna (Anna König) hingeht, da ist auch Hans (Till Butterbach) – und umgekehrt. Seit 15 Jahren sind die beiden ein Paar, sind in der langen Zeit zu einer untrennbaren Einheit verschmolzen. Ihre Beziehung zu hinterfragen, das haben sie längst aufgegeben. Bis zu jenem Tag, wo sie die Schwestern Nico (Ines Marie Westernströer) und Kim (Julia Becker) kennenlernen. Die sind das ziemliche Gegenteil der beiden, ausgeflippt, ständig auf der Suche nach etwas Neuem, lebenshungrig. Bald schon beginnen Anna und Hans jeweils Affären mit den Schwestern, ohne dass einer der Beteiligten etwas von den Affären des anderen ahnt.
Die Hannas ist ein komischer Film. Nicht weil er eine Komödie ist. Das ist er. Auch. Wenn beispielsweise Anna in ihrer Arbeit als Masseuse eigenartige Erfahrungen macht oder Personal Trainerin Kim mit etwas unorthodoxen Methoden ihre Schützlinge antreibt, dann wird das schon ein klein wenig absurd. Aber auch die Hannas, wie Anna und Hans von ihren Freunden genannt werden, laden einen immer wieder zum Schmunzeln ein. Denn die sind ein eines dieser Paare, die so symbiotisch miteinander verbunden sind, dass man nie genau weiß, ob man sie ehrfürchtig bewundern oder hinter ihrem Rücken auslachen soll.
Passt alles … oder doch nicht?
Die Hannas ist aber auch ein ernster Film. Denn Julia C. Kaiser, die hier Regie führte und das Drehbuch schrieb, begnügt sich nicht damit, einfach nur das Langzeitpaar darzustellen. Gleichzeitig fragt sie: Was bleibt von dem Individuum übrig, wenn es sich über so lange Zeit mit jemandem teilt? Ist das überhaupt wünschenswert, aus zwei Leben eins zu machen? Dabei sind die beiden gar nicht unglücklich, nicht so wirklich zumindest. Anders als bei so manchem Filmpaar, das vor dem eigenen Ende steht, gibt es bei den Hannas keinen Streit. Keine Widersprüche. Keine Gegensätze. Sie hätten ewig so weitermachen können, ohne dass sich einer von ihnen daran gestört hätte. Und doch sind sie da, die kleinen Fragen und Zweifel, die leichte Sehnsucht, wieder etwas Eigenes zu haben. Bei den Hannas ist das der Sport: Er fängt mit dem Laufen an, sie mit dem Schwimmen.
Das ist bei aller Kuriosität oft sehr schön nah am Leben. Anna und Hans sind nicht die typischen Protagonisten einer Liebeskomödie. Sie haben ihre Macken, ein paar Pfund zu viel am Leib, taugen wenig als Posterfiguren. Dafür aber als Identifikationsfläche. Unsympathisch sind sie nicht, einfach ganz gewöhnliche Normalos, wie man sie in seinem Umfeld überall findet. Insgesamt ist es dann auch die Natürlichkeit, welche „Die Hannas auszeichnet: unaufgeregt, beiläufig, authentisch. Ein bisschen verspielt zuweilen, dazu auch mit schöner Musik unterlegt. Aber insgesamt dann doch eben glaubwürdig.
Eine Überdosis Tragik
Nur zum Ende hin verrennt sich Kaiser dann doch ziemlich. Trugen die kleineren skurrilen Elemente anfangs noch zu dem Charme bei, versucht sich Die Hannas später an großer Tragik. Und dass die Ausgangssituation – ein Paar verliebt sich unabhängig voneinander in zwei Schwestern – nicht unbedingt plausibel ist, muss man nicht mehr wirklich hervorheben. Ein bisschen schade ist es schon, dass der Film hier nicht bei seinem eigentlichen Konzept blieb, ein im gemütlichen Stillstand verharrendes Paar zu porträtieren. In der Summe überwiegen aber die positiven Elemente: Die Hannas ist ein sympathischer kleiner Film über Lieben und Leben, über die Geborgenheit einer Beziehung und den Drang nach Eigenständigkeit.
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