(OT: „Die Tochter“, Regie: Mascha Schilinski, Deutschland, 2017)
Es ist keine schöne Nachricht, die Jimmy (Karsten Antonio Mielke) und Hannah (Artemis Chalkidou) da für ihre fünfjährige Tochter Luca (Helena Zengel) haben: Sie werden sich scheiden lassen. Es sei nicht ihre Schuld, so beteuern die beiden. Und an ihrer Liebe zu ihr würde das ohnehin nichts ändern. Für Luca ist die Situation dennoch schwierig, wobei sie auch ihre Vorteile mit sich bringt: Nun steht allein sie im Mittelpunkt, kann wunderbar auch ihre Eltern gegeneinander ausspielen. All das ändert sich jedoch, als sie zu dritt nach Griechenland fahren, um das Haus dort zu renovieren und im Anschluss wieder zu verkaufen. Denn Jimmy und Hannah entdecken dabei wieder Gefühle füreinander – was Luca so gar nicht in den Kram passt.
Ein bisschen gemein ist es ja schon: Die Aufnahmen aus Griechenland sind atemberaubend. Die Strände. Das Kliff über dem Meer. Die menschenleere Naturlandschaft. Die engen Gassen, die an den strahlend weißen Häusern vorbeiführen. An diesen Stellen könnte Die Tochter auch ein Werbefilm sein für den nächsten Urlaub. Lust darauf weckt er zumindest. Wäre da nur nicht der Inhalt. Denn Regisseurin und Drehbuchautorin Mascha Schilinski hat gar nicht vor, das Publikum mit idyllischen Traumszenen einzulullen. Um Träume geht es in ihrem Film durchaus. Schön sind die jedoch nicht, die Grenze zum Alptraum ist immer nahe.
Ein schwieriges Kind aus dem Bilderbuch
Das liegt natürlich in erster Linie an Luca. Sie dominiert alles und jeden, fühlt auch, dass sie dazu berechtigt ist. Und wer ihr mal nicht den Wunsch von den Augen abliest, der bekommt ihren Zorn zu spüren. Oder ihre magischen Kräfte, die sie gerne hätte. Sie jammert, sie quengelt, sie bettelt, sie tobt, sie blickt einen an, als wäre man der leibhaftige Teufel. Und wenn das alles nichts hilft, dann droht sie abzuhauen und nicht wiederzukommen, stellt sich vor, sie wäre tot und alle anderen würden bis an das Ende ihres Lebens bereuen, dass sie so unfassbar böse zu ihr waren.
Nein, einfach ist das Mädchen nicht. Es ist sogar ziemlich anstrengend, selbst in den wenigen harmonischen Momenten. So anstrengend, dass man Jimmy und Hannah unweigerlich bemitleidet. Dabei ist es nicht so, als würde Schilinski ihre junge Protagonistin verteufeln. Sie ist an vielen Stellen ein ganz normales Kind, das nicht genau weiß, wo es hingehört. Allgemein hat es die Filmemacherin nicht so mit Schwarzweißzeichnungen. Während Jimmy beispielsweise von seiner Tochter angehimmelt wird, zeigt ein Blick in seine verkommene Wohnung, wie wenig er sein Leben in Griff hat. Hinzu kommen gebrochene Versprechen sowie der regelmäßige Versuch, sich aus seiner Verantwortung zu stehlen und Hannah die unangenehmen Aufgaben zu überlassen. Die darf dafür der Buhmann sein, hat als überforderte alleinerziehende Mutter die Drecksarbeit und muss sich dafür auch noch beschimpfen lassen. Und Luca ist eben ein Kind, das sich die Welt zu eigen machen will, oft aber gar nicht versteht, verstehen kann, wie diese funktioniert.
Überzeugend, wenn auch auf Dauer eintönig
Die Rolleneinteilung daheim ist an der Stelle klar, wenn auch ziemlich klischeebeladen: böse, pflichtbewusste Mutti, super Papi zum Spaßhaben! Es ist also keine wirklich neue Konstellation, welche Schilinski hier aufzeigt. Soll es aber auch nicht, vielmehr geht es um die Darstellung eines Alltags, den mehr Menschen kennen dürften, als ihnen lieb ist. Das gelingt ihr auch gut, einfühlsam zeigt sie die Schwierigkeiten und Konflikte eines Kindes, welches sicher nicht angenehm, doch aber nachvollziehbar ist. Aus ihren Augen wird erzählt, was da vor sich geht, in ihren Augen ist es auch völlig normal, wenn sie mit Papa ein Bett teilt und Mama sich ein anderes suchen soll. Schließlich will sie ihn nicht teilen müssen. Dafür findet der Beitrag vom 11. Fünf Seen Filmfestival immer neue Beispiele, die im Grunde aber nur Variationen desselben Themas sind. Auf Dauer ist das doch ein wenig eintönig. Zumindest phasenweise ist Die Tochter aber ein überzeugendes Drama darüber, wie furchtbar kompliziert das Familienleben sein kann. Darüber, was es heißt, Mensch zu sein, jemanden zu lieben und doch nicht miteinander zu können.
(Anzeige)