(OT: „Durarara!!“, Regie: Takahiro Omori, Japan, 2010)
In einer neuen Stadt anzufangen, ist nie so ganz einfach. Vor allem, wenn es sich bei dieser Stadt um Tokio handelt und deine bisherigen Erfahrungen sich auf ein eher beschauliches Leben beschränken. Doch zum Glück ist der Schüler Mikado Ryūgamine dabei nicht ganz auf sich allein gestellt: Auch Masaomi Kida besucht die Raira-Schule. Mit dem ist er schon seit frühester Kindheit befreundet, auch wenn die beiden sich lange nicht mehr gesehen haben. Und im Gegensatz zu Mikado kennt sich Masaomi im Stadtteil Ikebukuro sehr gut aus, weiß, wo man hingeht. Und wo man besser nicht hingeht. Denn mehrere Gangs kämpfen derzeit um die Vorherrschaft. Und dann wäre da noch der mysteriöse, in Schwarz gekleidete Motorradfahrer, über den düstere Gerüchte im Umlauf sind …
Von einem künstlerischen Werk auf dessen Schöpfer schließen zu wollen, ist natürlich immer ein wenig vermessen. Zumindest eine Eigenschaft dürfte Ryōgo Narita aber schon haben, wenn man sich seine Light Novels anschaut: Er ist einer dieser Menschen, die einen Kuchen gleichzeitig essen und behalten wollen. Oder auch fünf Kuchen, jeder anders, damit er sich nicht für eine Sorte entscheiden muss. So ist es nahezu unmöglich, seinen Geschichten ein festes Genre zuordnen zu wollen. Krimielemente sind ebenso drin wie komische Szenen, Fantasy trifft auf Science-Fiction. Ach ja, gekämpft wird natürlich auch.
Wer bist du? Worum geht es hier?
Genretechnische Grenzüberschreitungen gibt es natürlich häufiger mal. Was Naritas Bücher aber so besonders macht, ist die unglaublich große Anzahl an Figuren und die unzähligen miteinander verknüpften Handlungsstränge. In Baccano! beispielsweise, der ersten Anime-Adaption eines seiner Werke, kommen so viele Charaktere zusammen, dass man erst einmal gar nicht versteht, worum es in der Geschichte eigentlich gehen soll. Bei Durarara!! ist das grundsätzlich ganz ähnlich. Auch hier werden einzelne Szenen mehrfach erzählt, zweimal, dreimal, bis alle beteiligten Personen ihre jeweilige Perspektive geteilt haben.
Die anfängliche Konfusion legt sich hier jedoch schneller. Die einzelnen Puzzleteile fügen sich rasch zu einem Bild zusammen. Das ist auch durch den unterschiedlichen Fokus der beiden Serien bedingt: Baccano! war stärker an der Handlung interessiert, die auf einen großen Showdown hinauslief. Bei Durarara!! sind es die Personen, die im Vordergrund stehen. Auf diese Weise entwickelt man auch ein besseres Gespür, wer hier wer ist, wen was antreibt. Das Ergebnis: In der Genrewundertüte entdeckt man plötzlich auch dramatische Elemente. Eine Art Coming-of-Age-Geschichte. Nur eben mit kopflosen Bikern, farbenfrohen Straßenbanden und russischen Sushiverkäufern.
Der Weg ist das Ziel
Der Nachteil ist, dass Durarara!! über die interessanten Charaktere hinaus kein erkennbares Ziel hat. Anstatt eine in sich geschlossene Geschichte zu erzählen, ist der Ausflug nach Ikebukuro doch recht episodenhaft – weshalb es Jahre später auch eine zweite Staffel namens Durarara!!x2 gab. Ob es diese gebraucht hätte, darüber lässt sich streiten. Schon während der ersten 24 Folgen gab es im weiteren Verlauf kleinere Längen. Die meisten Fragen sind geklärt oder werden ignoriert, die mysteriöse Stimmung des Anfangs ist dahin.
Kontinuierlich gut ist dafür die Umsetzung des Animationsstudios Brain’s Base (Blood Lad, One Week Friends). Ihre Tokio-Rekreation ist voller Details. Wer die Metropole selbst kennt, wird das eine oder andere wiedererkennen. Während der Actionszenen hätten die Animationen teilweise etwas flüssiger sein dürfen, für eine Fernsehserie schlägt sich Durarara!! aber doch ordentlich. Dazu gibt es schöne Effekte und die eine oder andere interessante Perspektive. Und so ist es durchaus ein kleiner Glücksfall, dass dieser Mini-Klassiker kürzlich in Deutschland wiederveröffentlicht wurde. Wer also mal wieder auf der Suche nach einem doch ungewöhnlichen Anime ist, der könnte durchaus hier einmal Halt machen.
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