Harmony

(OT: „Harmony“, Regie: Michael Arias/Takashi Nakamura, Japan, 2015)

Harmony
„Harmony“ ist seit 14. Juli 2017 auf DVD und Blu-ray erhältlich

Die Welt hat schon zu viele Menschen verloren, durch Kriege, durch Katastrophen. In Zukunft soll das alles anders werden: Eine implantierte Software sorgt dafür, dass alle für sich und andere nur das Beste wollen. Gewalt und Krankheiten gehören nun der Vergangenheit an, selbst ungesundes Essen wird auf diese Weise verhindert. Eine Welt, in der jeder perfekt ist – so heißt es. Die drei Freundinnen Tuan, Miach und Cian halten jedoch nicht viel davon, dass ihnen alles in ihrem Leben vorbestimmt wird. Und so wählen sie die größtmögliche Rebellion gegen die heile Welt: Selbstmord. Doch nur Miach stirbt dabei. 13 Jahre später arbeitet Tuan selbst für die Weltgesundheitsorganisation, als sie von der Vergangenheit eingeholt wird. Bei einem gemeinsamen Essen mit Cian bringt diese sich plötzlich um. Und sie ist nur eine von vielen, die sich zeitgleich das Leben nehmen. Aber wie kam es dazu? Was steckt wirklich dahinter?

Die Idee war auf jeden Fall interessant: Der Animeblock noitaminA, ursprünglich mal für alternative Fernsehserien bekannt, beschloss, drei Romane des Science-Fiction-Autors Satoshi Itō aka Project Itoh als Filme umzusetzen. Der Clou dabei war, dass jeder drei Filme von unterschiedlichen Regisseuren und Studios produziert werden sollte. Beim ersten Werk The Empire of Corpses hatten noch Ryoutarou Makihara und Wit Studio das Sagen. Bei Harmony bekamen nun das Regieduo Takashi Nakamura (Robot Carnival, Catnapped) und Michael Arias (Tekkonkinkreet) sowie Studio 4°C (Mind Game, Mutafukaz) eine Chance, sich zu verewigen.

Ruhige Überlegung zu einer gesunden Dystopie
Tatsächlich: Unterschiedlicher könnten die beiden ersten Filme der Trilogie kaum sein. Gemeinsamkeiten gibt es natürlich. Da wäre zum einen das Genre. Beide erzählen zudem von Gesellschaften, in denen eine ursprünglich vorteilhaft klingende Entwicklung äußerst unerwünschte Folgen hat. Das war es dann aber auch schon. Wo The Empire of Corpses noch eine krude alternative Vergangenheit wiedergab, in der die unmöglichsten Elemente miteinander kombiniert wurden, da ist das futuristische Harmony deutlich bescheidener in der Themenvielfalt. Und ruhiger. Große Schlachten gibt es nicht, allgemein hält sich der Actionanteil eher in Grenzen. Dass hier jemand zur Waffe greift, ist die Ausnahme, in erster Linie wird mit Worten gekämpft.

Das wird dem einen oder anderen zu wenig sein, Harmony insgesamt vielleicht auch einfach zu langweilig. Bis der Film mal in Fahrt kommt und die Massenselbstmorde Tuans Ermittlungen starten, vergeht schon eine ganze Weile. Und irgendwie drängt sich auch der Eindruck auf, dass diese Krimielemente nur ein Mittel zum Zweck sind. Nicht die Suche nach Spuren und die Aufklärung stehen im Fokus. Was hier gespielt wird, ahnt man relativ früh. Vielmehr wird auf diese Weise die Situation geschaffen, über mehrere Punkte nachzudenken. Was bedeutet Glück eigentlich? Ist ein schönes Leben wichtiger als ein freies? Wie frei können wir überhaupt sein?

Zukunftsvision aus der Vergangenheit
Das sind keine ganz neuen Fragen. „Eine schöne neue Welt“ von Aldous Huxley stand hier ganz offensichtlich Pate. Und das erschien immerhin 1932. Harmony spinnt die Gedanken noch ein ganzes Stück weiter, mit den real hinzugekommenen technischen Möglichkeiten von heute ergeben sich noch weitergehende hypothetische. Und die Überlegungen, wie sehr wir in das Leben des Einzelnen eingreifen dürfen, sogar in menschliche Bauteile, die sind ohnehin Alltag geworden. So ganz schafft es der Anime dann aber nicht, aus dem Ganzen mehr zu machen. Die Diskussion voranzutreiben, was wir von der Gesellschaft wollen. Vielmehr begnügt er sich damit, die Entwicklung zu verteufeln und tritt ansonsten völlig hinter dem Szenario zurück.

Mehr Tiefe hätte Harmony also nicht geschadet, weder auf die angesprochenen Gedanken, noch auf die Figuren hin. Tuan ist die einzige, die einigermaßen als Persönlichkeit durchgeht. Und das auch nur, weil sie auf beiden Seiten irgendwo mitmischt. Die visuelle Umsetzung ist ebenfalls ein wenig zwiespältig. Einige Schauplätze sind großartig dargestellt, darunter das Bagdad der Zukunft. Die Animationen sind für einen Kinofilm jedoch ernüchternd. Ebenso der starke, nicht immer harmonische Einsatz von Computergrafiken. Und warum die düstere Zukunftsvision in erster Linie die Farbe Pink schätzt, das bleibt ohnehin ein Rätsel. Aber der Film hat eben auch seine interessanten Seiten. Die Unfähigkeit der Menschen, noch mit einem Tod umzugehen – schließlich wurde der abgeschafft. Oder auch dass ein Selbstmord die höchste Form der Selbstbestimmung ist, dient allemal als Denkanstoß. Wer also die eher nachdenklich-fragende Richtung des Science-Fiction-Genres schätzt und sich nicht daran stört, dass die Atmosphäre eher ätherisch-abgehoben, denn wirklich nah am Geschehen ist, der kann hier mal reinschauen. Eine Steigerung zum recht enttäuschenden The Empire of Corpses ist es allemal.



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Die Menschen werden nicht mehr krank, können nicht sterben, sich gegenseitig auch kein Leid zufügen – ein Traum? Nicht, wenn es nach „Harmony“ geht. Der Sci-Fi-Anime zeigt eine etwas andere Zukunftsgesellschaft, die nicht so toll ist, wie sie eigentlich sein will. Das ist teilweise altbekannt, wird auch nicht wirklich tiefgründig bearbeitet. Als Denkanstoß zu den Themen Glück und Selbstbestimmung taugt die ätherisch anmutende Romanadaption aber durchaus.
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von 10