(OT: „Kai“, Regie: Sung-gang Lee, Südkorea, 2016)
Leicht hat es Kai in seinem Leben nie wirklich gehabt. Als Junge muss er mitansehen, wie seine kleine Schwester abstürzt, wovon sich seine Mutter nie erholt hat. Und nun steht auch sein Dorf vor dem Nichts: Die böse Hexe Hattan hat es sich zum Ziel gemacht, das komplette Land in Eis zu verwandeln. Jeder Versuch, sie und ihre gefährlichen Wölfe aufzuhalten, scheitert, endet für die Dorfbewohner meistens mit dem frostigen Tod. Eine Hoffnung gibt es jedoch: Kai begegnet dem Geist des Flusses und erhält von ihm einen mächtigen Kristall. Wird der an der richtigen Stelle eingesetzt, so lässt sich der Bann brechen. Ein Problem gibt es jedoch: Ausgerechnet seine tot geglaubte Schwester steht nun im Dienst von Hattan und ist selbst auf der Suche nach dem Kristall.
Auch wenn es doch so manch einen Versuch gab, Animationsfilmen aus Korea ist der Durchbruch bislang verwehrt geblieben. Am ehesten gelang es noch Sang-ho Yeon dank düsterer Filme wie The King of Pigs und Seoul Station internationales Renommee zu erreichen. Aber auch Sung-gang Lee hat die eine oder andere Visitenkarte verteilen können, allen voran mit My Beautiful Girl, Mari. Denn damit konnte er 2002 immerhin den großen Preis beim Annecy Animationsfilmfest gewinnen – was in 27 Preisverleihungen nur noch einem weiteren koreanischen Werk gelang: Oseam. Auch Kai war letztes Jahr in der französischen Animationshochburg zu sehen, außer Konkurrenz jedoch.
Fantasy mit wenig Fantasie
Wer nicht dabei sein konnte, hat nun bei den Schweizer Kollegen Fantoche eine neue Gelegenheit, mit Lee auf abenteuerliche Reisen zu gehen. Wobei einem diese schon recht bekannt vorkommen dürften. Große Hoffnungen auf Exotik sollte man lieber gleich begraben, an Kai ist nichts, was einer eigenen koreanischen Handschrift gleichkommen würde. Vielmehr wirkt die Geschichte wie eine Mischung aus dem klassischen Märchen der Schneekönigin und den Fantasymeisterwerken von Hayao Miyazaki.
So erinnert die Passage um den Geist des Flusses an Chihiros Reise ins Zauberland, die Kämpfe wiederum an Prinzessin Mononoke – nur dass die Wölfe hier auf der Seite des Bösen stehen. Mit der moralischen Vielschichtigkeit der Ökofabel kann es Kai dabei nicht aufnehmen. Das hängt jedoch auch mit der Zielgruppe zusammen, die hier eindeutig weiter unten im Alterssegment angesiedelt ist. Da braucht es eindeutige Schwarzweiß-Zeichnungen. Allenfalls der dickliche Junge, der ein Walddorf anführt, darf ein bisschen an der Grenze wandeln. Beim Rest wird von Anfang an festgelegt, wo der eigene Platz ist.
Niedliche Lichtpunkte
So richtig spannend ist das nicht, der Film folgt so brav den breitgetrampelten Pfaden, dass man immer ziemlich genau weiß, was als Nächstes passieren wird. Für Abwechslung sorgen allenfalls die etwas kurioseren Wesen, die es sich in der ansonsten eher realistisch gehaltenen Welt breitgemacht haben und kleine humorvolle Lichttupfer sind. Schon der Flussgeist ist eher witzig denn imposant – was von Kai auch spöttisch bemängelt wird. Einige kleinere Begleiter sind zudem in erster Linie dafür da, dass auch die niedlichkeitsbedürftigen Zuschauer nicht ganz leer ausgehen.
Von deren Design einmal abgesehen hat Kai visuell wenig zu bieten. Effekte werden verwendet, ohne jeglichen Wow-Effekt, die Landschaften sind größtenteils frei von Details, alles hier ist ein bisschen zu zweckmäßig und fade. Da sich auch die emotionalen Auswirkungen in Grenzen halten, ist es Lee hier nicht gelungen, sein Land in der Außenwahrnehmung voranzutreiben. Lässt man die verpasste Chance außer Acht, bleibt immerhin ein achtbares Animationswerk, das bei Kindern seinen Zweck erfüllt, Erwachsene hingegen auch in den Nicht-Eis-Momenten eher kalt lassen wird.
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