(OT: „L’arche de Noé“, Regie: Jean-François Laguionie, Frankreich, 1967)
Zwei Jahre sollte es dauern, bis sich Jean-François Laguionie nach seinem Debüt La Demoiselle et le Violoncelliste mit einem zweiten Animationskurzfilm zurückmeldete. Anstatt wieder seiner Fantasie freien Lauf zu lassen und sich – sowie das Publikum – in surreale Szenen zu stürzen, blieb der Franzose hier erstaunlich nah an der realen Welt. Wie der Titel bereits verrät, stand dieses Mal ein biblisches Thema Pate: die Arche Noah. Jenes Schiff, auf dem der von Gott erwählte Mann je zwei Tiere jeder Art versammelte, um sie vor dem drohenden Weltuntergang zu bewahren.
Auf der Suche nach der Geschichte
Auch wenn heute eher weniger Leute die Geschichte wörtlich auffassen und von einer tatsächlichen göttlichen Rettungsmission ausgehen: Es hat sie immer mal wieder gegeben, Expeditionen auf den Berg Ararat, wo der Bibel zufolge das kastenförmige Schiff seine letzte Ruhe fand. Von einer ebensolchen Expedition erzählt L’arche de Noé, wenn Laguionie in eisiger Höhe eine Gruppe von Forscher umhersuchen lässt. Die eigentliche Hauptfigur ist jedoch keiner aus der Truppe, sondern ein Mann, der einsam in einer nahegelegenen Hütte lebt. Der ist überzeugt davon, dass es eine zweite Sintflut geben wird und arbeitet deshalb daran, seine Hütte in ein schwimmendes Gefährt umzuwandeln und zwei Vertreter jeder Art aufzutreiben – die der Menschen eingeschlossen.
Wo La demoiselle et le violoncelliste also noch einem Traum gleich unzusammenhängende Szenen aufreihte – eine seltsamer als die andere –, da war sein zweiter Kurzfilm fokussierter, konkreter und ernster. Gesprochen wird auch hier nicht, von einer kleinen Radioübertragung mal abgesehen. Dafür gibt es viel getragene Musik, die verdeutlicht, wie dramatisch das alles ist. Damit greift Laguionie vorweg, was er später mit seinen Langfilmen wie Gwen et le livre de sable und The Painting tun wird: eigenartige Geschichten mit Emotionalität und persönlichen Schicksalen verbinden.
Die einfachen Anfänge
Ähnlich eindrucksvoll wie dort ist das hier freilich noch nicht, da der visuelle Aufwand noch bescheidener ist. Seine Schauplätze sind keine Welten, sondern in sich geschlossene kleine Gemälde, vor denen er seine Figuren hin und her schiebt. Figuren, von denen wir nichts erfahren, sie auch emotional kaum verorten können. L’arche de Noé, der im Rahmen der Laguionie-Restrospektive auf dem Animationsfestival Fantoche in Baden gezeigt wird, ist daher wie der Vorgänger auch ein interessanter, aber nicht wirklich fesselnder Kurzfilm. Ein 11 Minuten dauernder Kurzfilm, der schon andeutet, dass da eine große Stimme des Animationsfilms erste Stimmübungen betreibt, aber sich selbst noch nicht ganz gefunden hat.
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