(OT: „Le Rêveur éveillé“, Regie: Jean-Paul Mathelier, Frankreich, 2015)
Das Ansehen von Animationsfilmen ist in Deutschland bekanntermaßen eher gering. Entsprechend wenig Aufmerksamkeit erhalten die Regisseure dahinter – Ausnahmen wie die Studio Ghibli Granden Hayao Miyazaki und Isao Takahata bestätigen die Regel. Jean-François Laguionie hingegen, der dürfte nur den wenigsten etwas sagen, ist keine dieser Ausnahmen, auch wenn er ein absoluter Ausnahmekünstler ist. Das wissen aber selbst in seiner Heimat Frankreich viel zu wenige. Im Ausland wird es gleich richtig düster, was auch damit zusammenhängt, dass nur wenige Werke überhaupt in andere Sprachen synchronisiert werden.
Wer das Glück hat, das Animationsfestival Fantoche im Schweizer Baden zu besuchen, der darf sich daher auf eine Reihe toller Geschenke freuen. Nicht nur, dass die letzten beiden Spielfilme des Altmeisters zu sehen sind – das fantasievolle Abenteuer The Painting und das rührende Drama Louise en Hiver –, in einer Retrospektive sind gleich sieben seiner Kurzfilme vertreten. Und als wunderbares Dessert gibt es noch den Dokumentarfilm Le Rêveur éveillé obendrauf, der das jahrzehntelange Schaffen von Laguionie näherbringt. Zumindest den Besuchern, die Französisch verstehen, Untertitel gibt es keine.
Viele Bilder aus sechs Jahrzehnten
Wer nicht der Sprache mächtig ist, darf hier zwar eine Reihe schöner Bilder begutachten, die seinem Werk entstammen oder diesem als Vorlage dienten. Und auch die Schaffensweise im Lauf der Jahrzehnte wird anschaulich dokumentiert: Von den Cut-out-Sop-Motion-Anfängen in seinem Kurzfilmdebüt La Demoiselle et le Violoncelliste bis hin zu seinen aktuellen computerbasierten Werken. Wirklich interessant wird es aber erst durch eine Reihe von erhellenden Zusatzinformationen sowie die eine oder andere Anekdote. Beispielsweise erfahren wir, was denn die Vorlage für das heilige Buch in Gwen et le livre de sable bildete. Auch Wegbegleiter kommen zu Wort. Denn von denen gab es einige im Laufe der Zeit, was sich besonders in der stilistischen Vielfalt seiner Spielfilme zeigt – allesamt anders, anders als die anderen, anders als sie selbst.
Was jedoch relativ kurz kommt, ist der Künstler selbst. Hin und wieder gibt er persönliche Einblicke, seine Liebe zum Wasser oder auch zu Abenteuerromanen. Meistens haben diese Momente aber lediglich den Zweck, einzelne Punkte seines Schaffens weiter zu erhellen. Wer er selbst ist, der Mensch Jean-François Laguionie, das bleibt ein Rätsel. Dafür war die Laufzeit mit 52 Minuten aber auch zu kurz. Außerdem brilliert Le Rêveur éveillé nicht unbedingt durch eine schlüssige Struktur: Da wird von Thema zu Thema gesprungen, ohne dass ersichtlich würde, nach welchem Konzept das erfolgt. Sehenswert ist die Doku aber auch so, verrät zumindest ein bisschen was über einen Regisseur, der zu den ungewöhnlichsten gezählt werden darf und dem man allgemein mehr Aufmerksamkeit wünschen würde. Und noch viele weitere Filme natürlich.
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