Ohne jede Gnade
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Ohne jede Gnade

(OT: „Senza nessuna pietà“, Regie: Michele Alhaique, Italien, 2015)

Ohne jede Gnade
„Ohne jede Gnade“ ist seit 24. August 2017 auf DVD und Blu-ray erhältlich

Mimmo (Pierfrancesco Favino) ist ein zurückhaltender und liebenswerter Bauarbeiter. Auch wenn es nicht zu seinem Wesen passt, arbeitet er nebenbei für seinen Onkel, der Kopf einer Mafia-Organisation ist. Freude bereitet ihm dies nicht, dennoch tut er es – für die Familie. Eines Tages trifft er auf das junge und eigensinnige, aber auch sehr hübsche Callgirl Tania (Greta Scarano), auf welches er im Auftrag seines Cousins aufpassen soll. In den gemeinsamen Stunden beginnt der ruhige Einzelgänger Gefühle für die junge Frau zu entwickeln. Zu ihrem Wohl beschließt er sich gegen seine Familie zu stellen. Eine Entscheidung mit schwerwiegenden Folgen.

Das Genre des Gangster- und Mafiafilms gibt es bereits seit Ende der 20er-Jahre. Mit Beginn des Tonfilms feierten auch Verbrecher und Ganoven ihre ersten Auftritte als Protagonisten. Dies waren mal Latinos, mal Iren, meisten jedoch Italiener, zumindest von ihrer Abstammung her. Die Handlung spielte allerdings immer in den USA. Hollywood glorifizierte diese Figuren und romantisierte ihr Handeln, sodass beim Zuschauer eine gewisse Faszination entstand. Das ist zweifelsohne unterhaltend, doch schaut man sich Werke wie Gomorrha oder Suburra an, merkt man sofort, was bei den US-amerikanischen Filmen abhanden gekommen ist. Denn die italienischen Vertreter zeigen ein ungeschöntes, hartes und vor allem realistisches Bild dieser Welt.

Die Mafia als reiner Hintergrund
Gleiches gilt auch für Ohne jede Gande, wenngleich der deutsche Zusatztitel Im Reich der Camorra mehr verspricht, als der Film letzten Endes hergibt. Zwar spielt er genau dort, doch eigentlich war es das auch schon. Es gibt ein paar Handlanger aus der Familien-Organisation, vor denen es für das Protagonisten-Paar zu fliehen gilt. Mehr Verbindungen zur Mafia-Welt gibt es nicht. Wer also etwas wie die obigen Werke erwartet, dürfte enttäuscht werden. Allerdings ist dies auch nicht das, was der Film von Michele Alhaique sein möchte. Der Italiener konzentriert sich viel lieber auf seine beiden Hauptdarsteller und deren Beziehung zueinander (darauf deutete auch der vorläufige deutsche Titel Der Gangster und das Callgirl hin).

Im Grunde genommen ist Ohne jede Gnade vielmehr ein Liebesfilm, der aber die Entwicklung eben dieser Liebe für den Zuschauer nicht nachvollziehbar rüberbringt. Sie ist auf einmal da, aber gleichzeitig auch kaum fassbar. Ob es nun wirklich Liebe ist oder nur gegenseitige Zuneigung, wird nicht wirklich thematisiert. Das macht es für den Zuschauer schwer zu begreifen, was der wirklich zentrale Punkt in der Handlung ist, um den sich alles dreht, und was die Figuren wirklich fühlen und denken. Anstatt mit ihnen mitzufiebern, schaut er so nur von außen zu, das Geschehen lässt ihn dabei kalt. Das Problem mit der Nachvollziehbarkeit zieht sich allerdings durch den ganzen Film, denn oftmals treffen Figuren Entscheidungen, die jeglicher Grundlage entbehren.

Schöne Bilder, verschenktes Potenzial
Dabei sieht Alhaiques Film wirklich toll aus, er hat ein paar schöne Kameraeinstellungen und ist von seinen Darstellern gut gespielt. Viel mehr ist da aber auch nicht. Er hat nichts, was in irgendeiner Weise wirklich heraussticht oder einem nachhaltig positiv in Erinnerung bleibt. Dafür schweben die Schwachpunkte viel zu sehr als dunkle Wolke über allem. Diese sind zwar nicht katastrophal, dafür aber ärgerlich, da doch um einiges mehr drin gewesen wäre.



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Was sich wie ein Gangsterfilm anhört, ist in Wahrheit eher ein Liebesdrama mit zwei völlig unterschiedlichen Protagonisten. Das hätte sehr interessant werden können, stattdessen ist "Ohne jede Gnade" jedoch ein schwer zugänglicher und an manchen Stellen beim besten Willen nicht nachvollziehbarer Film geworden.
6
von 10