(OT: „Robert Doisneau, Le Révolté du Merveilleux“, Regie: Clémentine Deroudille, Frankreich, 2016)
Das Bild dürften die meisten von uns schon mal gesehen haben, in Büchern, auf Plakaten, Flyern, Dekoartikeln, ja selbst Tätowierungen. Zwei junge Menschen, die sich innig küssen, geradezu selbstvergessen, während Passanten an ihnen vorbeilaufen. Robert Doisneau hatte es 1950 geschossen, im Auftrag des Magazins „Life“. Die Aufgabe: Eine Reportage über Liebende in Paris zu produzieren. Nun war es damals noch gar nicht üblich, auf offener Straße derart deutliche Liebesbekundungen mit aller Welt zu teilen. Also engagierte der Franzose zwei Schauspielstudenten, die damals tatsächlich liiert waren, und ließ sie die Szene einfach spielen.
Ein Betrug am Publikum? An den zahlreichen Käufern, die aus dem Motiv Massenkitsch für die eigenen vier Wände machten? Ja und nein. Es war nur zum Teil die Realität, welche den gefeierten Fotografen interessierten. Er hatte gar nicht den Anspruch, die Welt objektiv abzubilden. Fotografieren, das war ihm immer bewusst, bedeutete einen subjektiven Ausschnitt aus der eigenen Wahrnehmung zu zeigen. Gleichzeitig interessierte er sich durchaus für Menschen, liebte sie und ihre Geschichten und versuchte eben das auf Film festzuhalten, in mal alltäglichen Szenen, dann wiederum sehr kunstvollen.
Auf den Spuren des berühmten Fotografen
Clémentine Deroudille, die Enkelin Doisneaus, versucht in ihrem Dokumentarfilm nun dasselbe. Sie versucht, sich ihrem berühmten Großvater zu nähern, indem sie oftmals hinter die Fassade blickt. Wie war er als Mensch? Wie entstanden seine Fotos? Eine Mischung aus nüchternen Fakten und sehr persönlichen Anekdoten bestimmen Robert Doisneau – Das Auge von Paris, aus biografischen Stationen und ideologischen Begegnungen. Dafür geht sie über weite Strecken chronologisch vor, auch wenn sie ihren Film in thematische Kapitel aufgeteilt hat. Von Doisneaus erster Begegnung mit der Fotografie über den Aufstieg bis zu seinem Tode begleitet sie das Schaffen, befragt Angehörige und Wegbegleiter, macht dabei manchmal auch kleine Umwege.
Einem ganzen Leben auf diese Weise gerecht zu werden, ist natürlich nahezu ausgeschlossen – umso mehr, wenn einem nur etwas mehr als eine Stunde zur Verfügung stehen. Eine tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Menschen oder auch dem Künstler hatte Deroudille wohl aber auch gar nicht im Sinn. Vielmehr feiern sie und ihre Interviewpartner Robert Doisneau – Das Auge von Paris den Künstler; eine Art filmische Eloge, wie man sie anlässlich einer Ausstellung halten würde.
Eine persönliche Rückschau
Zu sehen gibt es natürlich auch eine Menge. Wie beim Inhalt auch wechselt der Film dabei gern vom Äußeren zum Inneren, stellt berühmte Veröffentlichungen neben Privataufnahmen der Familie. Vieles dürfte selbst der geneigte Zuschauer nicht kennen, der familiäre Zugang von Robert Doisneau – Das Auge von Paris hat hier durchaus seine Vorzüge. Es bleibt aber ein Dokumentarfilm, der irgendwo dazwischen bleibt. Der vieles angeht, aber nicht weit verfolgt. Wer also tatsächlich wissen will, wer Doisneau war und wie sein persönliches wie berufliches Leben verlaufen ist, der findet hier nur Anfänge von Antworten. Hat man diesen Anspruch aber gar nicht, kennt vielleicht nur ein, zwei Fotos und möchte einen kleinen Einblick erlangen, der darf sich hier auf genau das freuen.
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