(OT: „Am Abend aller Tage“, Regie: Dominik Graf, Deutschland, 2017)
Etwas heikel ist der Auftrag ja schon: Philipp Keyser (Friedrich Mücke) soll im Auftrag eines Konsortiums ein Bild ausfindig machen. Nicht irgendein Bild, sondern „Die Berufung der Salomé“ des deutschen Expressionisten Ludwig Glaeden. Ob es dieses Bild wirklich gibt, weiß keiner so genau. Aber es heißt, es wäre während der Kriegswirren gestohlen worden. Bei seinen Recherchen stößt Philipp auf den zurückgezogen lebenden 84 Jahre alten Sammler Magnus Dutt (Ernst Jacobi). Und auf Alma (Victoria Sordo), die Großnichte des Sammlers, selbst Künstlerin und eine ideale Gelegenheit, dem eigentlichen Ziel näherzukommen. Was er auch tut, mehr als ihm später lieb ist.
Es ist aber nicht nur Philipp, der irgendwann darüber nachgrübelt, ob er seine Annäherungsversuche an Alma nicht besser hätte bleiben lassen. Auch als Zuschauer wäre man ganz froh gewesen, die zwei wären sich nie begegnet. Wobei das Problem von Am Abend aller Tage nicht die beiden Menschen sind, die hier die unglücklich Liebenden spielen. Denn Mücke und Sordo holen wirklich das Beste aus dem heraus, was ihnen das Drehbuch so vorsetzte. Eigentlich sind sie sogar viel zu gut für das, was aus ihnen gemacht wurde. Fans der beiden attraktiven Darsteller dürfen sich sogar darüber freuen, dass die zwei in regelmäßigen Abständen die Hüllen fallen lassen.
Ein Film zum Leidtun
Das soll Leidenschaft verkörpern. In erster Linie steht hier jedoch das Leiden im Vordergrund. Das Leiden der Künstler, die sich für wenig Geld verkaufen mussten, denen ihre Werke vielleicht sogar gleich ganz geraubt wurden. Das Leiden von Alma, die zwar ständig Kunst macht, für die sich aber keine Sau interessiert. Das Leiden von Philipp, der eigentlich so gern ein Arschloch ist, es jetzt aber nur noch manchmal sein darf. Das Leiden von Magnus, der mit seinen Bildern spricht, mit Menschen dafür wenig anzufangen weiß. Das Leiden des Publikums, das sich das Ganze anschauen muss und nicht weiß warum.
Aber das mit den Erklärungen ist eh nicht so das Ding von Am Abend aller Tage. Dieses seltsame Konsortium, das wir zu Beginn sehen, wird beispielsweise nicht vorgestellt. Auch die Verbindungen zu Philipp bleiben unklar. Immerhin erhält er einen Namen. Das war seiner literarischen Vorlage – der TV-Film basiert lose auf „Die Aspern-Schriften“ von Henry James (Schloss des Schreckens, Das Glück der großen Dinge) – noch verwehrt. Das allein macht einen Menschen aber noch nicht interessant.
Hässlich ist manchmal besser
Bemerkenswert ist allenfalls, dass Philipp als wenig sympathischer Zeitgenosse dargestellt wird, dem jedes Mittel recht ist, um ans Ziel zu kommen. Bemerkenswert, weil man sich ja dafür interessieren soll, was er und Alma da treiben. So richtig funktioniert das aber nicht mit dem Interesse. Das liegt weniger an den hässlichen Zügen. Die machen vielmehr die einzigen Momente aus, in denen die Interaktion überhaupt etwas hergibt. Ansonsten werfen sich die zwei Dialoge um die Ohren, die weder als Beschimpfung noch als Liebkosung überzeugen. Sie sind einfach da. So irgendwie. Nicht das, was Menschen normalerweise aus Sprache machen.
Nun könnte man vielleicht die missglückte Romanze ignorieren, wenn dafür der Rest stimmte. Aber auch das will nicht überzeugen. Für einen „echten“ Thriller ist der Film einfach nicht spannend genug, das Wühlen in der Vergangenheit bringt nur seltsames Verhalten und bedeutungsschwangere Reden hervor. Das Doppelspiel von Philipp wird nie brenzlig, es fehlt jegliches Gefühl von Bedrohung. Hin und wieder hat das Meta-Kunst-Gerede noch eine zumindest auffallende Aktionskunst zur Folge. Insgesamt ist Am Abend aller Tage aber eine höchst unattraktive Mischung aus blasierter Langeweile und umständlicher Geheimnistuerei, die auf eine falsche Weise rätselhaft ist.
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