Bitch

Bitch

(OT: „Bitch“, Regie: Marianna Palka, USA, 2017)

Bitch
„Bitch“ läuft im Rahmen des 31. Fantasy Filmfests (6. September bis 1. Oktober 2017)

Das Leben von Jill (Marianna Palka) funktioniert schon seit Längerem nicht mehr so richtig. Ihr Mann Bill (Jason Ritter) ist nie daheim, verbringt seine Zeit lieber auf der Arbeit oder bei seiner Geliebten als mit ihr. Und auch die vier gemeinsamen Kinder tragen nicht unbedingt dazu bei, dass die nervlich angeknackste Hausfrau Halt findet. Als ein Selbstmordversuch scheitert und Bill mal wieder das Familienessen unangekündigt verpasst, ist das der Tropfen, der alles zum Überlaufen bringt. Davongelaufen ist sie nicht, auch wenn es zuerst danach aussieht. Stattdessen lebt sie nun im Keller, bildet sich ein, ein Hund zu sein, läuft nackt auf allen vieren herum, knurrt, bellt, und verschmiert alles mit ihrem Kot. Ihre eiligst herbeigerufene Schwester (Jaime King) versucht zwar alles, um die Sache in Ordnung zu bringen, scheitert aber ebenso an der ungewöhnlichen Situation wie Bill, der nun seine Familie allein führen muss.

Dass Marianna Palka eine Vorliebe für schwarzen Humor hat, das macht sie sehr schnell klar: Ein Selbstmordversuch, der schief geht, das weckt Erwartungen, dass es bald richtig böse zur Sache geht. Das tut Bitch auch, den die Schottin geschrieben und inszeniert hat. Zum Teil zumindest. Eine richtig klare Linie verfolgt sie nicht dabei, man kann gar nicht so genau sagen, was ihr neuer Film eigentlich sein soll. Absurde Komödie auf der einen Seite, Familiendrama auf der anderen, jede Gefühlsschwankung wird mitgemacht. Das gibt es in Filmen häufiger mal, Tragikomödien gibt es wie Sand am Meer. Selten aber war das Ergebnis so verwirrend heterogen wie hier.

Der Alltag hinter der Groteske
Zu lachen gibt es erst einmal genug. Denn eines muss man Palka lassen: Die Idee einer Frau, die sich für einen Hund hält, alles und jeden anfällt und mitten in die Wohnung scheißt, die ist mindestens ungewöhnlich. Lustig ist zudem, wie die Menschen darauf reagieren, wenn sie einen der ihren sehen – einer, den sie zudem seit langer Zeit kennen –, der sich aber nicht wie ein Mensch verhält. Die Hilflosigkeit, gemischt mit Zorn (Bill) und Vergnügen (Kinder), die lässt sich gut nachvollziehen. Allgemein war es der Filmemacherin offenkundig wichtig, Verständnis zu wecken. Gerade auch für Jill: Es ist ein Alptraum, den sie da tagtäglich durchmacht: Keiner respektiert sie, keiner interessiert sich für sie, sie ist nicht mehr als eine Funktion im eigenen Haus.

Hier sind dann auch die Schnittstellen zu dem Drama, das später immer prominenter wird. Palka zeigt ein wenig überspitzt, aber doch effektiv, wie undankbar das Leben einer Hausfrau sein kann. Alltag, das bedeutet Aufopferung, ohne etwas dafür zurückzubekommen. Überspitzt ist aber auch der gesamte Rest. Bill ist weniger Figur als vielmehr Karikatur eines typischen Arbeitsmenschen, der lediglich für die Karriere lebt, Familiensache ist Frauensache. Wenn er sich plötzlich ohne sein fleißiges Helferlein selbst um den Dreck kümmern muss, dann ist das schon irgendwie witzig, geht aber mit vielen Klischees einher. Und das hat wie so oft nur eine sehr begrenzte Halbwertszeit. Gerade im Mittelteil zieht sich Bitch dann auch, wenn die Mischung aus Groteske und Banalität nicht mehr weiter weiß.

Die menschliche Seite des Tieres
Engagiert sind die Schauspieler ja, die alten wie die Jungen. Jason Ritter – Sohn von John Ritter und ehemaliger Langzeitpartner von Palka – stürzt sich kopfüber in die lauten wie leisen Szenen, die dramatischen wie schrillen. Und Palka selbst darf als Hundsfrau ihre wilden Seiten zeigen, auf beeindruckende Weise sämtliche Fesseln der Zivilisation abwerfen. Sie ist auch die einzige Konstante in einem Film, der wenige Konstanten hat, dafür jede Menge Höhen und Tiefen. Zum Glück läuft der Beitrag vom Fantasy Filmfest 2017 zum Ende hin wieder zur Hochform auf. Bitch wird dann zu einem erstaunlich rührenden Plädoyer für Nähe, für Respekt gegenüber der Frau, aber auch Respekt gegenüber unserem inneren Selbst. Wenn hier eine Frau die animalische Seite in sich entdeckt, dann lädt das dazu ein, innezuhalten, uns wieder miteinander zu beschäftigen, in dem Lärm dieser Welt wieder zu lernen, die innere Stimme zu hören.



(Anzeige)

Eine frustrierte Hausfrau bildet sich ein, ein Hund zu sein. Das ist ein ungewöhnliches Szenario. Nicht alles in „Bitch“ ist so einfallsreich, das Spiel mit Klischees führt irgendwann nicht mehr wirklich weiter. Diverse Lacher beschert uns die absurde Tragikomödie aber durchaus und geht als Plädoyer für Menschlichkeit stärker zu Herzen, als man es bei der tierischen Geschichte erwarten sollte.
6
von 10