(OT: „Black Hollow Cage“, Regie: Sadrac González, Spanien, 2017)
Einsam und zurückgezogen leben Adam (Julian Nicholson) und seine Tochter Alice (Lowena McDonell) in einer Villa mitten im Wald. Es fehlt ihnen nichts. Fast nichts. Alice hat ihren linken Arm verloren, der durch eine Roboterprothese ersetzt wurde. Und dann wäre da noch Hund Beatrice, der dank modernster Technik sprechen kann und für das Mädchen ein Mutterersatz ist. Die beschauliche Ruhe des Trios wird eines Tages jedoch gestört, als die Geschwister Erika (Haydée Lysander) und Paul (Marc Puiggener) vorbeischauen. Woher sie kommen, ist nicht klar, nur dass sie offensichtlich misshandelt wurden. Aber vom wem? Und ist das bereits die ganze Wahrheit? Nicht, wenn es nach dem schwarzen Kasten geht, den Alice im Wald gefunden hat und der ihr regelmäßig kleine Nachrichten hinterlässt.
Sonderbare Beiträge gibt es auf dem Fantasy Filmfest ja jedes Jahr so einige. Das war 2017 nicht anders. Ob es das bemüht abstoßende Kuso war oder der Paranoia-Klamottenfetisch in Fashionista, wundern durfte man sich immer wieder. So richtig schön rätselhaft wurde es aber in Black Hollow Cage, der Film, der sich am meisten um das Label „Mystery“ bemüht hat. Denn hier wird man lange so gar nicht schlau draus, was eigentlich gespielt wird. Und auch wenn so manches Ereignis im Laufe der Zeit eine Erklärung findet, viele grundsätzliche Fragen bleiben bis weit über den Abspann hinaus ohne Antwort.
Rätsel können so einfach sein
Bemerkenswert dabei ist, mit welch einfachen, geradezu eleganten Elementen der spanische Regisseur und Drehbuchautor Sadrac González da arbeitet. Wo andere sich derber Haudraufmittel bedienen müssen, um aus der Masse herauszustechen, sind es hier kleine Details. Ein Mädchen mit einem Roboterarm. Ein sprechender Hund, den das Mädchen für seine Mutter hält. Ein Haus mit einer sehr eigenwilligen Architektur. Und eben ein großer schwarzer Kasten, der einfach nur in der Gegend herumsteht. Dazu ertönen mysteriöse Klänge, die einem jeglichen Glauben an eine hiesige Welt nehmen.
Eine Geschichte hat der Filmemacher bei seinem dritten Langwerk auch zu erzählen, doch die tritt hinter der gelungenen audiovisuellen Fassade zurück. Ist letzten Endes eher unspektakulär, von den Science-Fiction-Elementen einmal abgesehen. Dabei fängt sie spannend an: Der Hausherr wird hinterrücks von einem vermummten Einbrecher erschlagen. Warum Letzterer das tut, wer er überhaupt ist, das wird erst relativ spät klar. Denn plötzlich steht Adam wieder, Black Hollow Cage macht weiter, als wäre nie etwas gewesen.
Das Ende ist der Anfang
Diese Sprunghaftigkeit hat durchaus System: Der Film wird chronologisch erzählt, gleichzeitig aber auch wieder nicht. Elemente, die an einer Stelle auftauchen, werden erst später eingeführt. Daran hat auch besagter schwarzer Kasten Schuld, der zwar teilnahmslos herumsteht und doch alles gehörig durcheinanderbringt. Warum er das tut, ist einer dieser Punkte, die nicht wirklich erklärt werden. Vieles ergibt auch nicht so wirklich Sinn. Wer von einem Mystery-Film erwartet, am Ende die Lösung Schwarz auf Weiß zu haben, der braucht sich die spanische Produktion nicht anzutun.
Aber auch die Anhänger großer Action werden eher nicht glücklich werden: Black Hollow Cage ist ruhig, sehr ruhig. González verlässt sich lieber auf die gelungene Atmosphäre und die angeborene Neugierde des Menschen. Ganz harmlos ist es nicht, was er da treibt, der erschlagene Mann vom Anfang wird nicht das einzige Opfer bleiben. Es werden auch tragische Elemente eingebaut, traurige Schicksale. Und doch wirkt der Film so fernab von allem Irdischen, dass nur die wenigsten im Publikum mitfühlen dürften. Ein Crowdpleaser ist das Ergebnis kaum, viele zuckten nur mit den Schultern. Wer aber mal wieder in der Stimmung für schön umgesetztes Mystery ist, der sollte sich die Gelegenheit nicht nehmen lassen, den Film auf dem Festival anzuschauen – eine reguläre Veröffentlichung ist derzeit eher unwahrscheinlich.
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