(OT: „Die Anfängerin“, Regie: Alexandra Sell, Deutschland, 2017)
Annebärbel Buschhaus (Ulrike Krumbiegel) ist 58 Jahre alt, hat eine gut gehende Praxis, ist allgemein im Leben angekommen – so dachte sie. Als sie jedoch ihr Mann direkt zu Weihnachten verlässt, sieht sie sich gezwungen, doch noch einmal alles zu überdenken. Dabei kehren ihre Gedanken immer wieder zu ihrer Kindheit zurück. Damals hatte sie unbedingt Eiskunstläuferin werden wollen, wovon ihre Mutter Irene (Annekathrin Bürger) aber nichts wissen wollte. Warum das Ganze nicht jetzt noch nachholen? Gegen den Widerstand ihres Umfeldes und auch der anderen Hobbysportler wagt sie sich tatsächlich aufs Eis und lernt dabei das junge Mädchen Jolina (Maria Rogozina) kennen. Der wurde eine große Laufbahn vorausgesagt, womit sich die Jugendlich aber inzwischen sehr schwer tut – vor allem wegen ihrer sehr strengen Lehrerin (Franziska Weisz), für die Versagen nicht in Frage kommt.
Man ist doch nie zu alt, um sein Leben noch mal umzukrempeln. Das haben uns viele Filme gezeigt. Das chilenische Gloria zum Beispiel oder das deutsche Silvi, die schon im Titel klarmachten, dass es hier um Selbstbehauptung geht. Ganz so selbstbewusst kommt Die Anfängerin im Titel nicht daher, dafür ist es die Titelfigur umso mehr. Mutig ist sie, ein bisschen stur auch. Aber nicht unbedingt sympathisch: Anders als so viele Spätblüher ist Annebärbel jetzt nicht gerade der Mensch, der einen dazu veranlasst, sie anzufeuern. Distanziert, kühl, ein wenig überheblich – das kann ja heiter werden.
Von den komischen Versuchen einer späten Eiskunstlaufbahn
Das wird es tatsächlich: Auch wenn Die Anfängerin im Großen und Ganzen ein Drama ist, so gibt es doch immer mal wieder Anlass für Heiterkeit. Gerade die Auseinandersetzungen der Titelheldin mit den wenig wohlgesonnenen Mitgliedern des Eisrentnerclubs sind schon recht lustig geworden. Und wenn eine doch sehr von sich eingenommene Person regelmäßig auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird – oder den Boden der Eisbahn –, dann darf man auch darüber ohne allzu schlechtes Gewissen lachen.
Natürlich wird es dabei aber nicht bleiben. Der weitere Verlauf dürfte für die wenigsten eine echte Überraschung sein: Annebärbel zeigt es ihren Kritikern und wird richtig gut, gleichzeitig öffnet sie ihr Herz für andere. Das hängt in erster Linie mit ihrer jungen neuen Freundin Jolina an, die wie sie einst unter der Bevormundung anderer leidet. Das ist weder besonders neu, noch allzu einfallsreich. Aber es funktioniert: Die Anfängerin kombiniert Elemente des Senioren-Coming-of-Age mit den noch beliebten Filmen über alte Grantler, die ihr weiches Herz entdecken – siehe St. Vincent oder Zu guter Letzt.
Ein Film zum Wohlfühlen
Und so mag man sie dann doch nach einer Weile, die eiskalte Ärztin, gerade auch ihrer Mutter wegen – die aus jedem einen schlechten Menschen gemacht hätte. Auch als Zuschauer darf man sich zum Schluss zufrieden zurücklehnen: Der Eröffnungsfilm vom Festival des deutschen Films in Ludwigshafen am Rhein gibt den Menschen etwas Spaß und Herz mit auf den weiteren Weg. Die tröstliche Aussage, dass man nie zu alt ist, um noch einmal neu anzufangen, die hört man ohnehin immer wieder gern. Sie animiert sogar, vielleicht selbst über das eigene Leben nachzudenken und sich aus festgefrorenen Bahnen zu lösen. Wer sich für derlei Feel-good-Geschichten erwärmt, sollte sich den Titel daher schon mal merken, muss allerdings noch ein bisschen warten. Nach Festivalende dauert es noch vier Monate, bis der reguläre Kinostart ansteht.
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