(OT: „The Nile Hilton Incident“, Regie: Tarik Saleh, Dänemark/Deutschland/Schweden, 2017)
Es ist ein grausiger Fund, den das Zimmermädchen in der Luxussuite des Hotels Nile Hilton in Kairo macht: Eine berühmte Sängerin wurde ermordet, einfach so die Kehle durchgeschnitten. Mehr noch, sie hat sogar einen Mann beobachtet, der aus dem Zimmer kam. Für die Behörden ist der Fall dennoch schnell klar, es muss Selbstmord gewesen sein. Lieber kein Aufsehen erregen, lautet die Devise. Der ermittelnde Polizist Noredin (Fares Fares), der seit dem Tod seiner Frau nur noch die Arbeit kennt, will aber nicht so schnell aufgeben. Da muss mehr dran sein an der Geschichte. Weitere Anhaltspunkte sind bald gefunden, als er der mysteriösen Gina (Hania Amar) begegnet. Sein Chef will aber dennoch nichts von all dem wissen, zu groß ist die Sorge, sich hier mit den Falschen anzulegen.
Ein mysteriöser Mord, eine verschwundene Zeugin, der schweigsame Polizist und viel Korruption – es sind schon sehr klassische Themen, mit denen Die Nile Hilton Affäre da arbeitet. Das hätte ein deutscher Film sein können, ein amerikanischer, auch Skandinavien wäre für die Inhaltsangabe in Frage gekommen. Gewissermaßen stammt er auch aus dem hohen Norden. Der Film ist eine deutsch-dänisch-schwedische Coproduktion, Regisseur Tarik Saleh ist Schwede, der schwedisch-libanesische Hauptdarsteller Fares Fares ist für die dänische Thrillerreihe bekannt, die auf Jussi Adler-Olsens Romanen basiert (Erbarmen, Schändung, Erlösung).
Typischer Krimi mit gesellschaftlicher Relevanz
Und doch ist das eben nur die halbe Wahrheit. Saleh hat selbst ägyptische Wurzeln. Der Fall ist an den der libanesischen Sängerin Suzanne Tamim angelehnt, die 2008 ermordet wurde – die Kehle wurde im Auftrag eines ägyptischen Geschäftsmanns durchgeschnitten. Auch damals wurde versucht, die Angelegenheit etwas zu vertuschen, Zeitungen wurde untersagt, über den Fall zu berichten, als die Verbindungen zu den Reichen und Mächtigen klar wurden. Saleh, der auch das Drehbuch schrieb, begnügte sich aber nicht damit, einfach nur die Geschichte nacherzählen zu wollen. Stattdessen wandelte er die Mörderjagd zu einem Kommentar über die ägyptische Lage 2011 um, kurz vor der Revolution.
Es ist eine düstere Lage. Korruption steht hier an der Tagesordnung. Ob es der Hotelmanager ist, der sein Buch mit dicken Geldscheinen füllt, um die Polizei für die Unannehmlichkeiten zu entlohnen, oder auch Noredins Chef, der nicht einmal mehr so tut, als gäbe es eine Trennung zwischen Gerechtigkeit und Bankkonto – ganz Ägypten scheint hier ein Sumpf zu sein. Das ist keine sehr ungewöhnliche Situation in diesem Filmgenre, Die Nile Hilton Affäre nutzt sie aber, um daraus doch eine ganze Menge Spannung zu erzeugen. Wenn Noredin versucht, Licht ins Dunkle zu bringen, dann kann er sich nie sicher sein, wem er hier noch vertrauen kann. Loyalität gibt es keine, Absprachen halten immer nur so lange, bis der nächste etwas Besseres anzubieten hat.
Starke, angespannte Atmosphäre
Dabei profitiert der Zuschauer bei Die Nile Hilton Affäre vor allem von der starken Atmosphäre und den sehenswerten Locations. Während die Geschichte nicht wirklich viel hergibt, eher ein bisschen altbacken ist, und auch die Figuren nicht sonderlich in Erinnerung bleiben, gefällt das Nebeneinander von dreckigen Slums, hektischer Großstadt und schicker High Society. Die vielbeschworene Kluft zwischen Arm und Reich, selten war sie so sichtbar wie hier. Und selten machte sie dabei eine so gute Figur. Saleh inszeniert die ägyptische Metropole als einen pulsierenden Moloch, ein Vulkan, der immer kurz vor dem Ausbruch steht. Die angespannte Situation lässt sich hier spüren, ein Großteil der 110 Minuten lang. So sehr, dass das Ende des Films fast schon einer Erlösung gleichkommt, während die Lösung des ursprünglichen Falls inzwischen zur Nebensache verkommen ist.
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