Enklave
© Barnsteiner

Enklave

(OT: „Enklava“, Regie: Goran Radovanovic, Serbien/Deutschland, 2015)

Enklave DVD
„Enklave“ ist seit 18. August 2017 auf DVD erhältlich

Die Kriege, welche Jugoslawien über viele Jahre in Atem hielten und mit der Zersplitterung des Staates endeten, sind schon eine Weile vor. So richtig viel Alltag ist aber noch nicht dort eingekehrt. Zumindest nicht für Nenad (Filip Subaric). Der ist inzwischen zehn und lebt mit seinem Vater und seinem im Sterben liegenden Großvater in einer kleinen serbischen Enklave. Das Verhältnis zu den um sie herum lebenden Albanern ist schlecht, zu tief sind noch die Wunden vom Krieg. Und so wird er jeden Tag an Bord eines Panzers der Kosovo-Truppe in die Schule gefahren, wo er der einzige Schüler ist. Aber auch die anderen Leute der Gegend haben mit den Folgen des Krieges zu kämpfen – jeder auf seine Weise.

Enklave ist einer dieser Filme, bei denen man sich ganz sicher sein kann, ob man gerade lachen oder weinen sollte. Mit dem Panzer zur Schule gefahren zu werden, das ist schon eine etwas ungewöhnliche Erfahrung. Der einzige Schüler zu sein aber auch. Das erste hätte man als Schüler wohl cool gefunden, Letzteres eher weniger. Auch die anderen Kinder, denen Nenad im Laufe des Films begegnen soll, werden etwas neidisch dreinschauen, als sie von dem massigen Gefährt erfahren, in dem er unterwegs ist. Eigentlich hassen sie ihn ja, weil er Serbe ist. Und Serben haben Albaner getötet. Aber mit dem Panzer würden sie trotzdem gern fahren. Denn manche Sachen muss man als Kind toll finden, egal ob Serbe, Albaner oder sonst etwas.

Wunden und Trost
Das hat etwas durchaus Tröstliches an sich. Etwas Versöhnliches. Regisseur und Drehbuchautor Goran Radovanovic verpasst es nicht, die tiefen Wunden aufzuzeigen. Menschen, die sich gegenseitig anfeinden, ohne sich zu kennen. Eine Hochzeit, die geradezu martialisch gefeiert wird, so als wäre sie eine Kriegshandlung. Und auch eine harmlose Busfahrt kann lebensgefährlich werden, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort ist. All das zeigt der serbische Filmemacher. Aber er zeigt eben auch, dass es Dinge gibt, die verbinden – so absurd sie auch sein mögen. Dass es Hoffnung gibt, bei den Jungen, irgendwann einmal. Sie es sein werden, die die Ketten der Vergangenheit ablegen.

Erst einmal heißt es aber einen steinigen Weg hinter sich bringen. Steinig für die Menschen dort, die Protagonisten. Steinig aber auch für die Zuschauer. Wer nicht von dort kommt oder sonstige Berührungspunkte hat, wird sich manchmal ein wenig schwer damit tun, die Szenen so ganz zu verstehen. Enklave bietet insgesamt nur wenig Kontext, überlässt es dem Publikum, eigene Schlüsse zu ziehen. Wobei vieles natürlich auch so verständlich ist. Es ist sogar ein Verdienst des Films, dass er das Universelle in der Ausnahmesituation sucht und findet. Wenn Nenad etwa mit seinem sterbenden Großvater noch eine letzte Partie spielt, obwohl der schon gar nicht mehr sehen kann, dürfte es den meisten Herzen schwerfallen, unbeteiligt zu bleiben – egal für welches Land sie denn nun schlagen.

Der Krieg der Kinder
Dafür heißt es eben auch, in die Kindheit zurückzukehren: Ein Großteil des Films wird durch die Augen der Kinder erzählt. Kinder, die versuchen, sich aus dieser komischen Welt einen Reim zu machen. Kinder, die aber auch einfach nur Kinder sein und spielen wollen. Etwas verspielt ist auch Enklave selbst. Eine durchgehende Handlung gibt es nicht, stattdessen zerfällt die Geschichte in mehrere Stränge, die sich nur manchmal berühren und auch nicht zwangsweise chronologisch sind. Zum Ende hin wird es vielleicht ein bisschen dick aufgetragen, anstatt der bisherigen Beiläufigkeit zu vertrauen. Aber auch dann noch ist dieses etwas andere Nachkriegsdrama mit seinen oft auch schönen Bildern sehenswert.



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Der Krieg ist vorbei, lang lebe der Krieg! „Enklave“ erzählt von dem schwierigen Miteinander von Serben und Albanern, Jahre nach dem Ende des Krieges. Das ist aufgrund der teils absurden Szenen manchmal fast schon lustig, dann aber wiederum herzerweichend. Besonders ist dabei, wie oft der Film dabei die Perspektive der Kinder einnimmt, um die Tiefe der Wunden zu zeigen, aber auch Ausblicke auf eine gemeinsame Normalität.
7
von 10