Fashionista

Fashionista

(OT: „Fashionista“, Regie: Simon Rumley, USA, 2016)

Fashionista
„Fashionista“ läuft im Rahmen des 31. Fantasy Filmfests (6. September bis 1. Oktober 2017)

Für April (Amanda Fuller) besteht das Leben aus Klamotten – wortwörtlich. Nicht nur, dass sie und ihr Mann Eric (Ethan Embry) einen Second-Hand-Kleidungsladen führen. Die gemeinsame Wohnung ist inzwischen so überfüllt von Material und Stoffen, dass sie kaum noch ein und aus finden. Doch das gehört so, sagt Eric zumindest, schließlich will er in Dallas eine zweite Filiale eröffnen. Und dafür braucht er den Kram. April ist nicht unglücklich über die vielen Kleider und Hosen, erlauben sie ihr doch, tagtäglich ihr Outfit zu wechseln. Gern auch mehrfach. Dass Eric deshalb aber ständig unterwegs ist, mit der neuen jungen Angestellten Sherry (Alexandria DeBerry) auch noch, das passt ihr jedoch gar nicht. Getrieben von Eifersucht und Verfolgungswahn lernt sie gleich zwei Männer kennen, den Obdachlosen Hank (Devin Bonnée) sowie den reichen, aber undurchsichtigen Randall (Eric Balfour), der ihre Leidenschaft für Frauenkleidung teilt.

Mehrere Male schon war Simon Rumley (Obsession – Tödliche Spiele) mit einem seiner Filme beim Fantasy Filmfest zu Gast. Dauergänger könnten mit dem Werk des amerikanischen Regisseurs und Drehbuchautors also vertraut sein. Aber selbst alte Hasen dürften bei dem neuesten Streifen mehr als einmal stutzig werden. Dieser sei auch ganz anders als die vorangegangenen Filme, gab Rumley per Videobotschaft an. Weniger Horror. Was nicht heißen soll, dass Fashionista nicht auch seine verstörenden Seiten hätte. Nur sind hier Realität und Grauen so eng miteinander verschmolzen, dass man nicht immer genau sagen kann, was gerade die Oberhand hat.

Über weite Strecken würde man Fashionista am ehesten wohl noch dem Drama zuordnen wollen. Eine Frau mit offensichtlichen Defiziten in punkto Selbstsicherheit kommt nicht damit klar, dass ihr Mann Zeit ohne sie verbringt. Das ist Stoff, bei dem labile Persönlichkeiten gerne mal zum Axtmörder werden. April nicht. Die keift, grummelt und springt unruhig hin und her, bleibt ansonsten aber erstaunlich passiv. Auch wenn später die anderen beiden Männer in ihr Leben treten, lässt sie sich gern antreiben. Ein bisschen Aufmerksamkeit, das reicht ihr ja schon. Das und Klamotten.

Vorsicht, Erstickungsgefahr!
Es ist auch ihr Kleiderfimmel, der dem Film von Anfang an eine etwas verstörende Note gibt. Zuschauer mit Hang zu Beklemmungen aufgepasst: In der Wohnung der beiden erstickt man schon vom Zusehen, der Ramschladen ist nicht viel besser. Viel Zeit lässt sich Rumley damit, seine Figur und ihr Umfeld in Szene zu setzen. Ein bisschen sehr viel Zeit. Auch wenn da viele schöne, grobkörnige Bilder dabei sind und auch der Soundtrack in seiner eigenen Umlaufbahn schwebt, es braucht schon Geduld, bis hier denn mal wirklich etwas passiert.

Aber passiert es denn auch wirklich? In bester Tradition von Paranoia-Thrillern darf man April fast immer misstrauen. Was ist wahr von dem, was sie sieht? Was ist nur eingebildet? Das ist nicht wirklich ungewöhnlich, viele Filme arbeiten mit der Methode, verkorkst-unglaubwürdige Protagonisten zu erschaffen und das Publikum so zu verunsichern. The Neon Demon beispielsweise, der aufgrund der Model-Thematik auch inhaltlich mit Fashionista verwandt ist. Nur dass Letzterer nicht annähernd so elegant ist, kein Interesse an böser Satire hat, vor allem aber seltsam frei von Identität bleibt.

Ein Film so zerstört wie seine Hauptfigur
Der Beitrag vom Fantasy Filmfest begnügt sich nicht nur damit, die Wahrnehmung von April immer wieder infrage zu stellen. Der gesamte Film ist eigenartig zersplittert, verzichtet bewusst auf eine klare narrative Richtung. Während die Geschichte an und für sich grob chronologisch erzählt wird, springt Rumley fleißig umher, greift vorweg oder liefert Szenen erst sehr viel später nach. Das geht so weit, dass man sich nicht einmal mehr der Zeit wirklich sicher sein kann. Bin ich hier und jetzt? Oder morgen und woanders? Wenn immer mal wieder eine namentlich nicht genannte Frau (Alex Essoe, Starry Eyes – Träume erfordern Opfer) aus einer psychiatrischen Anstalt gezeigt wird, ist das für den Zusammenhalt auch nicht förderlich.

Aber genau das ist so gewollt. Der zunehmende Verfall von Aprils geistiger Gesundheit findet sich auch in dem Film wieder. Parallel zu der Wohnung, aus der mit der Zeit die Klamotten verschwinden und die so neue Einblicke gewährt, werden auch Schichten von ihr freigelegt. Während ihr Zuhause so aber später ein Bild ergibt, zerfällt ihres in viele kleine Stücke. Interessant ist das, faszinierend sogar, auch Amanda Fuller wegen, die sich hier um Leib und Seele spielt. Gleichzeitig ist Fashionista aber auch ein undankbarer Film, der kaum Andockmöglichkeiten bietet und nicht immer für die Arbeit belohnt, die man in ihn investieren muss.



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Es ist schon ein seltsamer Film, den Simon Rumley da mit „Fashionista“ abgeliefert hat. Teils Drama, teils Paranoia-Thriller wird die Geschichte einer klamottensüchtigen Frau erzählt, deren Wahrnehmung ihr und dem Publikum Streiche spielt. Das ist auch audiovisuell interessant, intensiv gespielt, manchmal gar verstörend. Gleichzeitig ist der Streifen aber unbefriedigend und braucht recht lange, bis er mal in die Gänge kommt.
6
von 10