(OT: „Fontane Effi Briest oder Viele, die eine Ahnung haben von ihren Möglichkeiten und ihren Bedürfnissen und trotzdem das herrschende System in ihrem Kopf akzeptieren durch ihre Taten und es somit festigen und durchaus bestätigen“, Regie: Rainer Werner Fassbinder, Deutschland, 1974)
Die Geschichte dürfte vielen Generationen von Schülern aus dem Deutschunterricht bekannt sein: Die siebzehnjährige Effi Briest (Hanna Schygulla) wird mit dem fast vierzigjährigen Baron von Instetten (Wolfgang Schenck) verheiratet und zieht mit ihm von der elterlichen Heimat an die Ostsee. Mit Ehemann und neuem Wohnort unglücklich, ergibt sich alsbald eine Affäre mit Major Crampas (Ulli Lommel), die durch den erneuten Umzug der Instettens nach Berlin endet und von der Baron Instetten sechs Jahre später erfährt, woraufhin er Cramps zum Duell herausfordert.
Eine ganz eigene Form des Spielfilms
Viele, die eine Ahnung haben von ihren Möglichkeiten und ihren Bedürfnissen und trotzdem das herrschende System in ihrem Kopf akzeptieren durch ihre Taten und es somit festigen und durchaus bestätigen, wie der etwas sperrige Alternativtitel von Fontane Effi Briest lautet, hält sich eng an die Romanvorlage, mutet durch die Fokussierung auf die Dialoge, das Voiceover, die teilweise mangelnde Charakterzeichnung und die schwarzweißen Bilder aber zuweilen wie ein Fernsehfilm an. Gemessen daran wäre es dafür ein sehr guter, nur fallen diese Kriterien bei einem Spielfilm doch in nicht zu vernachlässigender Weise ins Gewicht.
Mit der Umsetzung schaffte Rainer Werner Fassbinder allerdings eine ganz eigene Art der Literaturverfilmung, die analog zum Hörbuch vielleicht Schaubuch genannt werden könnte, obschon dieser Begriff der Sache wohl nicht ganz gerecht werden dürfte. Das erwähnte Voiceover in Kombination mit Weißblenden (dem Umblättern der Buchseiten gleich), Zwischentiteln (Kapitelüberschriften gleich, ohne jedoch im Film solche zu sein) und einer eher statischen Kameraführung erzeugen den Eindruck, dass der Lektürefilm zur Filmlektüre wird. Die monochromatischen Bilder tun ihr Übriges, vermögen sie doch wie die Seiten eines Romanes ihren Inhalt schwarz auf weiß wiederzugeben.
(Anzeige)