(OT: „Ég man þig“, Regie: Óskar Thór Axelsson, Island, 2017)
Als wäre der Anblick nicht schon schlimm genug, die alte Dame erhängt vorgefunden zu haben, so sind es doch die Umstände, die das Grauem komplettieren: Die Kirche ist verwüstet, an der Wand steht eine seltsame Nachricht. Ein klarer, wenn auch rätselhafter Fall eines Selbstmordes. Der ermittelnde Psychologe Freyr (Jóhannes Haukur Jóhannesson) ist dennoch misstrauisch, an der Geschichte muss noch mehr dran sein. Garðar (Thor Kristjansson), seine Freundin Katrín (Anna Gunndís Guðmundsdóttir) und Líf (Ágústa Eva Erlendsdóttir) sind derweil anderweitig beschäftigt. Sie haben es sich in den Kopf gesetzt, ein altes Haus auf einer verlassenen Insel wieder instand zu setzen. Fernab von jeglichen anderen Menschen soll die Zeit aber auch helfen, alte Wunden zu heilen. Doch nach einer Weile werden die drei Zeugen eigenartiger Vorkommnisse, für die es keine rationale Erklärung gibt.
Das isländische Kino hat zuletzt gleich mehrfach bewiesen, dass sein Land ein wunderbares Setting für düstere Filme abgibt. Baltasar Kormákur ließ uns dieses Jahr gleich zweimal das Blut in den Adern gefrieren: Im den eiskalten Thrillerdrama Der Eid sowie der spannenden Serie Trapped. Und auch sein Landsmann Erlingur Thoroddsen wusste die raue Abgeschiedenheit zu nutzen, um in Rift die paranoide Geschichte eines ehemaligen Liebespaares zu erzählen. Jetzt ist es Óskar Thór Axelsson, der uns das Fürchten lehren will. Der auf dem Roman von Yrsa Sigurðardóttir basierende Streifen wirft nun jegliche Rationalität über Bord und geht gleich ganz in das Reich des Übernatürlichen über. Daheim war I Remember You ein größerer Erfolg. Außerhalb des Inselstaates feierte die Adaption auf dem Fantasy Filmfest 2017 Premiere, bevor Anfang 2018 der DVD-Release ansteht.
Atmosphärisches aus der Einöde
Freunde von Geistergeschichten finden hier auch durchaus ansehnlichen Stoff. Die großen Vorschusslorbeeren sind dann aber doch nicht ganz so angebracht. Atmosphärisch hat I Remember You natürlich einiges zu bieten. Island ist schon unter „normalen“ Umständen eine dankbare Kulisse, um in unheimliche Abgründe hinabzusteigen. Dann aber auch noch ein verlassenes Dorf auf einer abgelegenen Insel? Das ist schon fast zu viel des Grusels. Axelsson spielt es natürlich in die Hände, dass er in einem tatsächlich seit Langem unbewohnten Dorf drehen durfte. Meilenweit ist nichts, kein Mensch, kein Empfang, kein Kontakt zur Außenwelt. Nur die raue See, fröstelnde Landschaften und Ruinen, letzte Erinnerungen an ein früheres Leben. Ein bisschen nimmt sich der Film diese Atmosphäre aber wieder durch den unnötig dröhnenden Soundtrack. Das Gefühl der Isolation will sich eher schlecht einstellen, wenn dauernd laute Musik durch die Boxen strömt.
Ansonsten ist die Inszenierung solide. Es wird viel auf die natürliche Unheimlichkeit gesetzt, wenn Licht fehlt. Und das tut es auf der Insel fast andauernd. Ohne Strom sind die drei von der Insel gezwungen, oft mit altmodischen Lampen, manchmal gar Kerzen herumzulaufen. An diesen Stellen erinnert I Remember You an klassische Geistergeschichten. Mit dem Unterschied nur, dass es hier eben kein altes Spukschloss ist, durch das die drei schleichen, sondern eine im Grunde moderne Siedlung, die nur wenige Jahrzehnte alt ist, vergleichbar zu den in dem Genre so gern verwendeten Waldhütten.
Wenig überraschende Schreckmomente
Die Schreckmomente selbst sind ebenfalls nicht mehr als der übliche Horrorstandard. Fußspuren, zu denen es keine passenden Personen gibt, Gegenstände, die an falschen Orten wieder auftauchen, sich selbständig öffnende und schließende Türen. Und die obligatorischen Menschen, die wir nur im Augenwinkel sehen und die immer gerade dabei sind, wegzurennen, wenn wir hinschauen. Das funktioniert alles: Wer mal wieder in der Stimmung ist für einen klassischen Geisterfilm, der findet hier alle, was er braucht. Aber leider nicht mehr. Es wäre schon wünschenswert gewesen, wenn die außergewöhnliche Location auch Schauplatz tatsächlich außergewöhnlicher Ereignisse geworden wäre, anstatt nur das kleine Einmaleins des Schauerfilms brav aufzusagen.
Auch inhaltlich enttäuscht I Remember You ein wenig. Da wäre zum einen das Rätsel hinter allem selbst, das sich auf Klischees stützt und keine eigene Note findet. Es ist aber auch dessen Auflösung, die nicht wirklich überzeugt. Immer wieder sucht der Film die Abkürzung, indem er sehr sprunghaft von einem Punkt zum nächsten kommt. Bei der Ermittlung tauchen Gegenstände und Personen urplötzlich auf, da werden Schlussfolgerungen gezogen, die so gar nicht mit dem Gezeigten zu begründen sind. Gleichfalls abrupt verlaufen die Dialoge des Trios, die unbeholfen wichtige Punkte so ballen, dass sie jegliche Natürlichkeit vermissen lassen. Plausibel ist an dem Film ohnehin nur wenig, selbst innerhalb des übernatürlichen Rahmens. Positiv sticht dafür die Verknüpfung der beiden Handlungsstränge hervor: Lange rätselt man als Zuschauer, wie beide denn nun zusammenhängen. Und zumindest hier ist die Erklärung clever und überraschend. Das sorgt zum Ende hin für ein paar Sympathiepunkte, wenn auch nicht genug, um insgesamt mehr als nur solide zu sein.
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