(OT: „Kidnap“, Regie: Luis Prieto, USA, 2017)
Kellnerin Karla Dyson (Halle Berry) freut sich nach einem stressigen Arbeitstag auf einen unbeschwerten Nachmittag mit ihrem Sohn Frankie (Sage Correa) im Freizeitpark. Innerhalb weniger Sekunden passiert das Unfassbare – Frankie wird vor ihren Augen in ein fremdes Auto gezerrt und entführt. Eine Verfolgungsjagd voller Hoffnung und Verzweiflung beginnt und Karla will nicht aufgeben, bis sie ihren Frankie wieder bei sich hat.
Die Handlung des Films klingt simpel und lässt wenige Sidestories erwarten. Was die Geschichte jedoch interessant und neu für den Zuschauer macht ist, dass Karla die Entführer die ganze Zeit vor sich hat und sich immer nur wenige Meter von Frankie entfernt befindet. Das Ziel ist so nah und doch liegen Welten zwischen ihnen. Karla zeigt grenzenlose Stärke und einen eisernen Willen, Aufgeben kommt niemals in Frage. Während der Verfolgungsjagd, die ca. eine Stunde dauert, fühlen wir uns in einigen Szenen direkt auf den Beifahrersitz neben Karla katapultiert und spüren ihre Ängste und Verzweiflung über die ständigen Rückschläge.
Das Spannendste zum Schluss
Eine Verfolgungsjagd über eine Stunde lang spannend zu halten, gestaltet sich natürlich schwierig. Immer wieder geraten die Figuren in Verkehrsunfälle, die immer schlimmer und gefährlicher werden. Kommunikationen mit den Entführern und ein ernüchternder Besuch auf der Polizeiwache lockern die langen Highway-Aufnahmen auf. Erst als Karla ihre Suche im Wohnhaus der Entführer fortsetzt und auf Margo (Chris McGinn) trifft, wird der Film wirklich Thriller-like! Sehr spannende ruhige Szenen, die den Zuschauer wahnsinnig werden lassen vor Unbehagen und Gänsehaut.
Der Schluss lässt endlich aufatmen, wobei die letzte Wendung doch ein wenig zu viel des Guten ist. Ebenso den letzten Satz des Reporters über „eine Mutter als Heldin“ hätte man sich sparen können, wurden wir doch über ihre Heldentaten ausreichend informiert. Halle Berry (Kingsman: The Golden Circle, The Call – Leg nicht auf!) bleibt den kompletten Film hindurch absolut authentisch. Sie spielt eine unglaublich starke Frau, die durch ihre Liebe zum Kind zu Außergewöhnlichem fähig ist. Trotzdem vermittelt sie eine gewisse „Normalität“, mit der wir uns identifizieren können; sie zeigt Furcht und Angst und spielt nicht die hyperstarke Wonder Woman, die wir so oft auf der Kinoleinwand zu sehen bekommen.
Positiv: die tolle Kameraarbeit
Die Kameraeinstellungen, insbesondere die Kamerafahrten während der Verfolgungsjagd, versetzen den Zuschauer mitten ins Geschehen. Als sich eine gewisse Ohnmacht und Erschöpfung bei Karla breit macht, windet sich die Kamera um die fahrenden Autos, als würde sie selbst gerade in Ohnmacht fallen. Auch die langen Szenen aus der Vogelperspektive verdeutlichen die ständige Nähe zwischen Karla und Frankie, aber auch die unendliche Weite und das Ungewisse, wo diese Fahrt wohl noch hinführen wird.
Die Filmmusik untermalt an den richtigen Stellen den immer schwerer werdenden Kampf. In einigen Szenen war die Musik etwas zu episch, einen Hauch too much. Das Schlusslied war gänzlich unpassend; fast schon als wären die vorangegangenen Geschehnisse sofort vergessen und die Welt ist wieder lustig! Die Handlung rast von null auf 100 in so kurzer Zeit, dass man einige Zeit braucht, um sich in die Story und die Hautpakteure einzufinden. Ist man jedoch dort angekommen, bleibt der Film durchweg fesselnd und findet gegen Ende seinen Spannungshöhepunkt. Kein typischer Kidnapping-Film, wie man sie sonst kennt, von daher eine Empfehlung für alle, die nicht zu viel Story erwarten.
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